Geldanlagen

Die Zinserwartungen driften auseinander

Der April war geprägt durch geopolitische Spannungen und Zinssorgen. Aufgrund der Teuerung sind Leitzinssenkungen in den USA weiter in die Ferne gerückt. Erfreuliche Quartalsergebnisse stützten die Aktienkurse in der zweiten Monatshälfte. Eine Einschätzung von VZ-Anlagechef Christoph Sax.

Christoph Sax
Chief Investment Officer
Publiziert am
02. Mai 2024

An den Börsen haben die Kursschwankungen in den letzten Wochen zugenommen. Ermutigende Konjunkturdaten sorgten für Zuversicht. Andererseits liessen geopolitische Spannungen und Zinssorgen die Anleger etwas vorsichtiger agieren. Militärschläge zwischen Israel und Iran schürten Ängste, dass der Gazakrieg regional eskalieren könnte. Der Ölpreis stieg kurzfristig auf den höchsten Stand seit einem halben Jahr. Gold erklomm ein neues Allzeithoch bei knapp 2’400 Dollar pro Unze, gab anschliessend aber wieder nach. In der Zwischenzeit hat sich die Stimmung wieder aufgehellt. Es zeichnete sich ab, dass weder Israel noch Iran ein Interesse an einer regionalen Ausweitung des Konflikts haben. Die Kurseinbussen an den Aktienmärkten hielten sich deshalb in Grenzen.

Ermutigende Unternehmensergebnisse

Zur Verbesserung der Stimmung beigetragen haben erfreuliche Unternehmensergebnisse in den USA und Europa. Ein etwas verhaltener Ausblick einiger Chiphersteller lastete zunächst auf der Stimmung. Die Valoren von Nvidia gaben zwischenzeitlich rund 15 Prozent nach. Mittlerweile wurde diese Lücke aber weitgehend geschlossen. Die Quartalsausweise der Schwergewichte Microsoft, Alphabet und Amazon zeigten, dass die Künstliche Intelligenz (KI) stark an Bedeutung gewinnt und neue Geschäftsfelder öffnet. Erfreulich war auch, dass Unternehmen aus anderen Branchen mit überzeugenden Quartalsausweisen aufwarten konnten. In der Schweiz waren es insbesondere ABB und Novartis. In den USA glänzten nebst diversen Technologiewerten auch Gesundheits- und Industrietitel wie UnitedHealth, Merck und General Electric.

Warten auf die US-Notenbank

Gegenwind gab es dagegen bei den Zinsen. An den Obligationenmärkten sind die Erwartungen an die Notenbanken im April weiter auseinandergedriftet: Die Europäische Zentralbank (EZB) gab sich zuversichtlich, dass sie ihre Geldpolitik schon bald lockern kann. Vermutlich wird sie bereits im Juni den Leitzins erstmals senken. In der Währungsunion hat der Teuerungsdruck nachgelassen. Gleiches gilt für die Schweiz: Die Inflationsrate notierte im April noch bei 1,4 Prozent (Grafik unten). Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins im weiteren Jahresverlauf erneut senken wird. Die langfristigen Franken-Zinsen tendierten im April seitwärts.

Etwas anders präsentiert sich die Situation zurzeit in den USA, wo die Inflation aufgrund der soliden Konjunktur wieder etwas angezogen hat. Die US-Notenbank Fed gab sich betreffend Zinssenkungen deshalb zunehmend zurückhaltend. Zu Jahresbeginn erwarteten die Marktteilnehmer für das laufende Jahr fünf Leitzinssenkungen des Fed, aktuell gehen sie nur noch von einer einzigen Leitzinssenkung aus. Das Aufflackern der Inflation in den USA erklärt auch die schlechtere Performance von Zinswerten in Dollar: Die Renditen von Dollar-Anleihen sind im April spürbar gestiegen. Es ist aber nach wie vor wahrscheinlich, dass die Dollar-Zinsen mittelfristig wieder nachgeben werden, weil die geldpolitische Straffung in den USA ihre volle Wirkung erst noch entfalten wird.