Ölpreis steigt an – was heisst das für die Konjunktur?
Im Zuge des Angriffs von Israel auf den Iran hat sich der Ölpreis deutlich verteuert – zeitweise um 15 Prozent. VZ-Anlagechef Christoph Sax ordnet die Fakten und möglichen Risiken ein.

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Aktuell notiert der Preis für ein Barrel der Ölsorte Brent wieder über 76 Dollar. In der Regel hat ein steigender Ölpreis negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Denn er führt zu höheren Produktionskosten, was sich wiederum in höheren Preisen für Konsumgüter und einem Rückgang der Kaufkraft niederschlagen kann.
Angesichts solcher Risiken ist es umso wichtiger, die Preisentwicklung im Kontext zu betrachten. Mit dem jüngsten Preisanstieg wurde lediglich die Lücke geschlossen, die Anfang April mit dem von US-Präsident Trump verkündeten Liberation Day geöffnet worden war (vgl. Grafik).
Damals sackte der Ölpreis ab, da wegen der Einführung von Importzöllen eine Abschwächung der Konjunktur befürchtet wurde. Dazu kommt, dass der Ölpreis im historischen Vergleich noch nicht auf einem sehr hohen Niveau liegt. Vor drei Jahren mussten für ein Barrel Öl zeitweise über 120 Dollar bezahlt werden – also rund 50 Prozent mehr als heute.
Die Weltwirtschaft könnte deshalb einen weiteren Anstieg des Ölpreises gut verkraften. Selbst ein dauerhaft über 120 Dollar notierender Ölpreis würde die Weltwirtschaft nicht in eine Rezession stürzen: Die Öl-Intensität der Wirtschaft ist in den letzten 25 Jahren um rund 40 Prozent gesunken– einerseits dank höherer Effizienz und andererseits auch dank des Ausweichens auf alternative Energieträger. Inflationsbereinigt hat die Abhängigkeit von Öl noch stärker abgenommen.
Eine wichtige Rolle bei der Ölpreisentwicklung spielt auch die Strasse von Hormuz – eine Meeresenge zwischen dem Iran und den Golf-Anrainerstaaten. Über diese Route wird rund ein Fünftel des weltweiten Bedarfs an Erdöl verschifft. Würde der Iran diesen Seeweg blockieren, könnte dies enorme Auswirkungen auf den Ölpreis und damit auf die globale Wirtschaft haben.
Deshalb stellt sich die Frage, wie realistisch ein solches Szenario ist. Irans wichtigste Verbündete sind Russland und China, der grösste Abnehmer von Öl aus dem Iran. Peking hat deshalb kein Interesse an Lieferverzögerungen oder an einem steigenden Ölpreis. Russland hingegen ist auf Kriegsmaterial aus dem Iran angewiesen. Würde die Situation eskalieren, erschwerte dies die Zusammenarbeit.
Auch die Golf-Staaten würden eine Blockade der Strasse von Hormuz kaum tolerieren. Sollte es dennoch so weit kommen, könnte dies die USA auf den Plan rufen und letztlich zu einem Sturz des Regimes in Teheran führen. Deshalb dürfte die Blockade durch den Iran eine leere Drohung bleiben, weil das Regime im Iran seine Existenz sonst gefährden würde.
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SNB vor weiterer Zinssenkung
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält morgen Donnerstag ihre nächste geldpolitische Lagebeurteilung ab. Gemeinhin wird erwartet, dass die Währungshüter eine weitere Zinssenkung vornehmen. Offen ist derzeit, ob der Leitzins auf 0 Prozent oder gar in den negativen Bereich fällt.
Energiepreise sollen stabilisiert werden
Die EU will gemeinsam mit den USA einen starken Anstieg der Energiepreise wegen des Krieges zwischen Israel und dem Iran verhindern. Sie habe mit US-Präsident Donald Trump über das Thema gesprochen und man sei bereit, sich mit gleichgesinnten Partnern abzustimmen, um die Stabilität der Märkte zu sichern, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem G7-Gipfel in Kanada. Welche Massnahmen gegen grosse Preisschwankungen in Erwägung gezogen werden, sagte sie nicht. Theoretisch könnten etwa strategische Erdölreserven freigegeben oder das Gespräch mit wichtigen Ölexport-Staaten gesucht werden.
US-Einzelhandelsumsätze geben nach
Die Einzelhandelsumsätze in den USA sind im Mai stärker als erwartet gefallen. Die Erlöse fielen im Vergleich zum Vormonat um 0,9 Prozent. Im April waren die Umsätze um revidierte 0,1 Prozent gefallen. Zunächst war ein Anstieg um 0,1 Prozent gemeldet worden. Die Umsätze der Einzelhändler gelten als Indikator für die Stärke des privaten Konsums, der für das Wachstum der weltgrössten Volkswirtschaft eine besonders grosse Rolle spielt.