Nachlass

Was Patchwork-Familien beim Nachlass berücksichtigen sollten

Häufig bringt ein Partner Kinder aus einer früheren Beziehung in die neue Ehe oder Lebensgemeinschaft ein. Ohne rechtzeitig die geeigneten Massnahmen getroffen zu haben, profitieren oft nicht die Personen vom Erbe, die der Verstorbene am liebsten begünstigt hätte.

Renato Sauter
Nachlassexperte
Aktualisiert am
25. April 2024

Das Schweizer Erbrecht ist auf eine klassische Familienkonstellation ausgerichtet. Der überlebende Ehepartner und die leiblichen Kinder sind die Haupterben. Sie erhalten je die Hälfte des Nachlassvermögens, wenn der verstorbene Ehepartner in einem Testament nichts anderes verfügt hat.

Neben Blutsverwandten haben auch Adoptivkinder und eingetragene Partner einen gesetzlichen Erbanspruch. Sofern Stief- und Pflegekinder nicht im Testament begünstigt sind, gehen sie folglich leer aus – ebenso der Konkubinatspartner.

Mehr Spielraum für Patchwork-Familien

Seit dem 1. Januar 2023 gilt das neue Erbrecht. Verheiratete Personen mit Kindern können nun im Testament bis zu 3/4 ihres Nachlassvermögens dem überlebenden Ehepartner zuweisen, weil der Pflichtteil der Kinder von 3/8 auf 1/4 gesunken ist.

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Bei unverheirateten Paaren beträgt der Pflichtteil der Kinder nicht mehr 3/4, sondern 1/2. Das bedeutet: Lebenspartner können sich gegenseitig stärker begünstigen, indem sie sich im Rahmen der freien Quote die Hälfte des Vermögens zuweisen. Unverheiratete ohne Kinder können nun sogar ihr gesamtes Vermögen frei vererben und zum Beispiel ihrem Lebenspartner zukommen lassen. Unter dem alten Erbrecht hatten bei dieser Familienkonstellation die Eltern Anspruch einen Pflichtteil, der mit dem revidierten Erbrecht entfällt. 

Die Reduktion der Pflichtteile schafft sowohl für verheiratete als auch für unverheiratete Paare Spielraum, um zum Beispiel auch Stiefkinder und Kinder des Lebenspartners stärker zu begünstigen. Allerdings sollte man vorgängig die Steuerfolgen prüfen: Je nach Kanton zahlen Lebenspartner und Stiefkinder sehr hohe Erbschaftssteuern.

Testamente und Erbverträge, die vor dem 1. Januar 2023 erstellt wurden, bleiben zwar weiterhin gültig. Es lohnt sich aber, die Nachlassplanung aufgrund der Erbrechtsrevision zu überdenken und bei Bedarf anzupassen. Ausserdem können einige Formulierungen, die in Testamenten häufig verwendet werden, unter revidiertem Recht Fragen aufwerfen und letztlich dazu führen, dass das Erbe nicht so verteilt wird wie vom Erblasser ursprünglich gewünscht.

So bleibt das Vermögen in der eigenen Familie

In einem Testament oder Erbvertrag kann man nicht nur darüber entscheiden, wer das Vermögen unmittelbar nach dem eigenen Tod erbt, sondern auch, an welche Nacherben es nach dem Ableben dieser Vorerben gehen soll. Das kann zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn das verbleibende Nachlassvermögen nach dem Tod des überlebenden Partners wieder zurück in die eigene Familie soll.

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Angenommen, ein Mann mit zwei Kindern aus erster Ehe heiratet ein zweites Mal. Seiner neuen Ehefrau und den Kindern stehen je 1/4 des Nachlassvermögens als Pflichtteil zu. Für die freie Quote von 1/2 kann er seine Frau als Vorerbin einsetzen und die Kinder als Nacherben. Damit geht dieses Geld nach dem Tod der Frau an seine Kinder. Setzt er keine Nacherben ein, geht die freie Quote an die Erben seiner zweiten Frau, und seine eigenen Kinder gehen leer aus.

Auch steuerlich ist eine Nacherbschaft interessant: Für die Erbschaftssteuer ist in den meisten Kantonen das Verwandtschaftsverhältnis zum ursprünglichen Erblasser ausschlaggebend, nicht das zum Vorerben. Kinder sind in fast allen Kantonen von der Erbschaftssteuer befreit. Dort gehen die Kinder also steuerfrei aus, wenn der Vater seine zweite Ehefrau als Vorerbin und die Kinder aus erster Ehe als Nacherben einsetzt. Setzt hingegen die Frau in ihrem Testament die leiblichen Kinder ihres verstorbenen Mannes als Erben ein, fallen in rund der Hälfte aller Kantone die Erbschaftssteuern für Stiefkinder an.

Die Pflichtteile dürfen nicht mit einer Nacherbschaft belegt werden, sondern nur die freie Quote. Der Pflichtteil des Vorerben geht immer an seine gesetzlichen Erben über, es sei denn, er verfüge etwas anderes. Über die weitere Vererbung der Pflichtteile kann der Erblasser also keinen Einfluss nehmen.

Die Vorerbschaft darf der Vorerbe verwalten und die Erträge daraus behalten. Wenn der Erblasser den Vorerben von der gesetzlich vorgesehenen Sicherstellungspflicht befreit hat, darf er über das Vermögen verfügen und es sogar aufbrauchen. Bei der Aufhebung der Sicherstellungspflicht kann es also sein, dass die Nacherben leer ausgehen.

Mittels einer letztwilligen Verfügung lässt sich auch festlegen, dass die Sicherstellungspflicht nur für einen bestimmten Teil des Vorerbes gilt. Das Einsetzen von Vor- und Nacherben hat zur Folge, dass das Erbschaftsamt beim Tod des Erblassers ein Inventar mit allen Vermögenswerten des Verstorbenen erstellen muss. Die Erstellung dieses Inventars kann einige Tausend Franken kosten.