Deflation in der Schweiz – mit Folgen für die Nationalbank?
Im Mai ist die Teuerungsrate erstmals seit Jahren wieder unter Null gefallen. Allerdings zeigt ein Blick hinter die Daten, dass das Preisniveau nicht auf breiter Front sinkt. Dennoch könnte die SNB die Zinsen weiter senken

Beitrag empfehlen
Die jüngsten Inflationsdaten in der Schweiz haben für Aufsehen gesorgt. Denn erstmals seit Jahren ist die Teuerung im Mai wieder in den negativen Bereich gefallen. Dies bestärkt die Markterwartungen, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) bei ihrem nächsten Zinsentscheid in zwei Wochen den Leitzins erneut senken wird.
Die grosse Frage wird jedoch sein: Geht der Leitzins auf 0 Prozent zurück – oder führt die SNB gar wieder Negativzinsen ein? Dass die Nationalbank so weit geht, ist nicht in Stein gemeisselt. Das zeigt sich, wenn man die Inflationsdaten etwas genauer anschaut (vgl. Grafik).
Die Inflationsrate misst die Veränderung des Preisniveaus über die letzten zwölf Monate – also von Mai 2024 bis Mai 2025. Die Entwicklung hin zu einer leicht negativen Gesamtinflation hatten vor allem zwei Gründe: Der starke Franken vergünstigte die Importgüter, und zusätzlich war der Ölpreis stark rückläufig. Importgüter waren im Mai 2,4 Prozent günstiger als ein Jahr zuvor. Bei Erdölprodukten betrug der Preisrückgang über die letzten 12 Monate sogar 9,6 Prozent.
Allerdings sinken die Preise nicht auf breiter Front. Das zeigt sich an der Kernrate, die noch immer positiv ist. Bei der Kernrate sind die schwankungsanfälligen Preise für Nahrungsmittel und Energie nicht enthalten. Seit Anfang Jahr hat der Landesindex der Konsumentenpreise zudem wieder etwas zugelegt. Entscheidend für die SNB dürfte letztlich die Entwicklung des Frankenkurses sein, insbesondere zum US-Dollar.
Der Dollar hat sich etwas gefangen und tendierte in den letzten Wochen seitwärts. Aus wirtschaftlicher Sicht gibt es derzeit wenig Gründe für eine kräftige Leitzinssenkung. Die Konjunkturindikatoren haben sich von ihren Rücksetzern im Mai etwas erholt. Das KOF-Konjunkturbarometer konnte nach dem Taucher im April wieder zulegen. Es notiert zurzeit bei 98,5 Punkten – und damit nur knapp unter seinem langfristigen Durchschnitt.
Bei den Einkaufsmanagerindizes (PMIs) zeigt sich im Dienstleistungsbereich ebenfalls eine Wende zum Positiven: Der Dienstleister-PMI zeigt ein beschleunigtes Wachstum an. Die einzigen Sorgenfalten betreffen die Industrie. Dort machen sich die Unsicherheiten rund um die Strafzölle sichtbar. Entsprechend ist der Industrie-PMI im Mai wieder deutlich unter die Wachstumsschwelle gefallen. Die Schweizer Wirtschaft dürfte damit vorerst unterdurchschnittlich wachsen, eine Rezession zeichnet sich aber nicht ab.
Weitere Wirtschaftsnews
Inflation in der Eurozone schwächt sich ab
Die Inflation hat sich in der Eurozone im Mai von 2,2 auf 1,9 Prozent abgeschwächt. Der Rückgang war etwas stärker als erwartet. An den Finanzmärkten geht man deshalb davon aus, dass die EZB den Leitzins am Donnerstag von 2,25 auf 2,0 Prozent senken wird. Bis Ende Jahr werden ein bis zwei weitere Senkungen erwartet.
Positive Märkte seit Anfang Jahr
Die Erholung der Aktienmärkte hat sich weiter fortgesetzt. Der DAX erreichte Ende Mai sogar ein neues Allzeithoch. Auch der Swiss Performance Index notiert unweit seiner Jahreshöchststände. Sehr gefragt waren zudem Schweizer Immobilienanlagen. Zur Schwäche neigte zuletzt der Dollar. Seit dem Absturz Anfang April anlässlich des «Liberation Day» hält er sich jedoch auf tiefem Niveau stabil.
Chinas Industrie schrumpft
Die Industrietätigkeit in China war im Mai zum ersten Mal seit acht Monaten wieder rückläufig. Der Einkaufsmanagerindex fiel von 50,4 auf 48,3 Punkte und verfehlte damit die Erwartungen der Analysten. Gleichzeitig war es der niedrigste Wert seit 32 Monaten.