Was Chinas neuer Masterplan für Schweizer Anleger bedeutet

VZ Analyse

China bleibt ein Schlüsselspieler der globalen Wirtschaft. Doch was passiert, wenn das Land sein Wachstumsmodell neu erfindet? Der neue Fünfjahresplan ab 2026 zeigt, wohin die Reise geht – und eröffnet Schweizer Unternehmen und Anlegern neue Perspektiven.

Publiziert 28. Okt. 2025

Autor

Andreas Paciorek

Funktion Anlageexperte

Beschreibung

Im Fünf-Jahres-Rhythmus legt Peking fest, welche Branchen und Technologien künftig gefördert werden. Diese Pläne sind weit mehr als politische Rhetorik – sie bestimmen die Richtung für Investitionen, Handel und Innovation. Und da China heute fast 18 Prozent zum globalen BIP beiträgt, haben Veränderungen in Peking Auswirkungen bis in Schweizer Wertschriftendepots. Zugleich ist China der grösste Exporteur und damit ein entscheidender Faktor für Lieferketten, Rohstoffpreise und Unternehmensgewinne weltweit. 

Schweiz und China – eine starke, aber asymmetrische Partnerschaft 

China ist für die Schweiz nach den USA und Deutschland der drittwichtigste Handelspartner. 2024 exportierte die Schweiz Waren im Wert von rund 15 Milliarden Franken nach China – etwa 5 Prozent der Gesamtexporte – und importierte Güter im Umfang von 19 Milliarden Franken, vor allem Maschinen, Elektronik und Konsumprodukte. 

Die Schweizer Ausfuhren bestehen mehrheitlich aus Pharmazeutika, Präzisionsinstrumenten, Maschinen und Luxusgütern. Zwischen 2010 und 2022 verfünffachten sich die Exporte; die Pharmaindustrie stellt inzwischen rund 40 Prozent des Volumens. 

Über 1000 Schweizer Unternehmen sind in China präsent – von ABB über Nestlé bis Sika. Die Abhängigkeit ist hoch, aber asymmetrisch: Während China für die Schweiz ein Schlüsselmarkt bleibt, gilt die Schweiz für China vor allem als Innovations- und Qualitätslieferant. 

Strategische Neuausrichtung statt Revolution 

Der neue Fünfjahresplan (2026–2030) markiert weniger eine Abkehr als eine gezielte Weiterentwicklung der bisherigen Wirtschaftsstrategie. Peking hält an zentralen Leitlinien wie technologischer Eigenständigkeit, industrieller Modernisierung und staatlich gelenkter Planung fest, verschiebt aber die Prioritäten deutlich. 

Weniger Tempo, mehr Technologie 

Im Mittelpunkt steht nicht mehr das möglichst hohe Wachstumstempo, sondern die Qualität des Wachstums. Die chinesische Führung spricht von „High-Quality Development“ – ein Begriff, der Innovation, Produktivität und Nachhaltigkeit in den Vordergrund rückt. Massive Investitionen sollen Schlüsselindustrien wie Halbleiter, Künstliche Intelligenz, Biotechnologie und grüne Energien stärken und damit die Abhängigkeit vom Ausland weiter verringern. 

Kaufkraft als neuer Wachstumsmotor 

China will seine Binnenwirtschaft stärken: höhere Einkommen, bessere soziale Sicherung und mehr Unterstützung für strukturschwache Regionen sollen den privaten Konsum ankurbeln. Doch die anhaltende Immobilienkrise belastet weiterhin das Vermögen vieler Haushalte und dämpft die Kauflust – erste Stabilisierungstendenzen in Metropolen wie Shanghai oder Shenzhen machen jedoch Hoffnung. 

Als Antwort auf diese strukturelle Schwäche setzt Peking auf Nähe statt Beton: Mit dem Programm "100 Städte, 10'000 Projekte" soll das Konzept der 15-Minuten-Stadt landesweit umgesetzt werden. Arbeit, Einkauf, Schule und Freizeit sollen künftig in Gehdistanz liegen – ein Modell, das lokale Dienstleistungen, Jobs und planbare Cashflows schafft. Damit wandelt sich Chinas Wachstum von flächenintensivem Bau hin zu dichter, serviceorientierter Ökonomie – mit Chancen für Unternehmen aus den Bereichen Infrastruktur, Gesundheit, Logistik und Alltagskonsum. 

Planwirtschaft 2.0 – Kontrolle bleibt Chefsache 

Trotz dieser Öffnungstendenzen bleibt die staatliche Steuerung der Wirtschaft prägend. Der Plan bekräftigt Pekings Anspruch, Schlüsseltechnologien, Infrastruktur und Kapitalströme strategisch zu lenken. Damit setzt China auf ein Modell wirtschaftlicher Reifung – mit mehr Nachhaltigkeit und Eigenständigkeit, aber ohne den Machtanspruch der Partei aufzugeben. 

Wo Schweizer Firmen jetzt profitieren können 

Mit dem neuen Fünfjahresplan (2026–2030) will China sein Wachstum auf ein neues Fundament stellen: mehr technologische Eigenständigkeit, mehr Qualität statt Quantität – und eine gestärkte Binnenwirtschaft. Gleichzeitig betont die Regierung ausdrücklich, dass ausländische Investitionen «eine wichtige Rolle bei der Förderung neuer produktiver Kräfte und beim Vorantreiben der chinesischen Modernisierung» spielen. 

Hinter den Schlagworten Innovation, grüne Transformation und Binnennachfrage verbirgt sich eine klar strukturierte Industriestrategie – eine Strategie, von der auch Schweizer Firmen profitieren können, vorausgesetzt sie verfügen über lokale Präsenz, technologische Relevanz und regulatorische Anpassungsfähigkeit. 

Technologie und Industrieautomatisierung 

ABB: Der Technologiekonzern baut seine Robotik- und Automationsfertigung in China konsequent nach dem Prinzip local for local aus. Drei neue Robotik-Familien und ein lokales F&E-Zentrum in Shanghai zielen auf Branchen wie Elektronik, Automotive und Konsumgüter. Davon profitiert ABB direkt von Chinas Bestrebungen, die Industrieautonomie zu stärken. 

VAT Group: Der Ventilspezialist aus dem St. Galler Rheintal ist stark in der Halbleiterzulieferung engagiert und betreibt in Shanghai Service- und Supportstrukturen. Dank Pekings Investitionen in die heimische Chipproduktion und der Substitution westlicher Lieferanten zählt VAT zu den klaren Profiteuren der Halbleiter-Offensive. 

Comet Group: Das Unternehmen liefert Hochfrequenz- und Röntgentechnologie für die Halbleiter- und Elektronikproduktion. Die chinesischen Programme zur Förderung der lokalen Chipfertigung treiben die Nachfrage nach Comets RF-Power-Systemen und Synertia-Plattformen. 

Urbanisierung und Ressourceneffizienz 

Georg Fischer: Georg Fischer betreibt Produktionsstätten in Yangzhou und beliefert Projekte zur Wasser- und Energieeffizienz in Gebäuden und Industrie. Im Kontext der 15-Minuten-Städte und Smart-City-Initiativen dürfte die Nachfrage nach nachhaltiger Infrastruktur steigen. 

Sika: Der Bauchemiekonzern hat seine Präsenz mit neuen Werken in Xi’an, Suzhou und Liaoning weiter ausgebaut. Chinas Programme zur Sanierung alter Gebäude und zur CO₂-Reduktion in der Bauindustrie eröffnen zusätzliche Absatzmöglichkeiten. 

Gesundheit und alternde Bevölkerung 

Roche: Mit einem starken Onkologie- und Diagnostikgeschäft zählt Roche zu den wichtigsten westlichen Pharmapartnern Chinas. Neue Initiativen zur Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen und zum Ausbau der Diagnostik könnten weiteres Wachstum bringen. 

Straumann Group: Der Dentalimplantatehersteller baut in Shanghai Produktionskapazitäten auf, um in das nationale Beschaffungsprogramm (VBP) aufgenommen zu werden. Lokale Fertigung und erschwinglichere Preise eröffnen Zugang zu Millionen zusätzlicher Patienten. 

Sonova: Das Unternehmen nimmt mit seiner Tochter Advanced Bionics am chinesischen VBP-Programm für Cochlea-Implantate teil. Mit der alternden Bevölkerung wächst der adressierbare Markt für Hörlösungen. 

Konsum und Lifestyle 

Nestlé: Der Lebensmittelkonzern beschäftigt über 20'000 Mitarbeitende und betreibt 24 Fabriken in China. Mit seinem Fokus auf funktionale Nahrungsmittel, Babynahrung und Gesundheitsprodukte profitiert Nestlé direkt von wachsender Kaufkraft und einer stärker gesundheitsorientierten Mittelschicht. 

Richemont & Swatch Group: Beide Luxusgüterhersteller verfügen über ein dichtes Vertriebsnetz in China. Zwar blieb die Nachfrage zuletzt volatil, doch mittelfristig bieten steigender Binnenkonsum und neue Vertriebsmodelle (Online, Travel Retail) wieder Auftrieb. 

Fazit 

Der neue Fünfjahresplan ist keine Revolution, sondern eine strategische Neuausrichtung – weg vom exportgetriebenen Wachstum, hin zu Technologie, Qualität und Nachhaltigkeit. Für Schweizer Unternehmen ergeben sich Chancen überall dort, wo sie lokal präsent, technologisch relevant und politisch kompatibel sind. Im laufenden Zollkonflikt ersetzt China zunehmend US-Lieferanten durch europäische Anbieter – eine Entwicklung, die Schweizer Präzisions- und Automationsfirmen besonders begünstigt. Doch das China-Geschäft bleibt selektiv: Entscheidend ist nicht, ob man im Land ist, sondern wie tief man integriert ist.

Disclaimer: Alle Angaben ohne Gewähr. Bei den aufgezeigten Informationen handelt es sich um Werbung gemäss Art. 68 FIDLEG