VZ-Analyse
Teslas erstes Quartal 2025 schockt mit einem Gewinneinbruch von 71 Prozent und sinkenden Umsätzen, doch die Aktie schiesst überraschend in die Höhe. Ist das gerechtfertigt, oder droht ein böses Erwachen für Investoren?
Teslas erstes Quartal 2025 war ein ernüchternder Weckruf für Investoren. Der Elektrofahrzeugpionier verzeichnete einen Gewinneinbruch von 71 Prozent, während der Umsatz um 9 Prozent sank. Der Automobilumsatz, Teslas Kerngeschäft, schrumpfte sogar um 20 Prozent, und die Fahrzeugauslieferungen gingen im Vergleich zum Vorjahr um rund 50’000 Einheiten zurück. Damit verfehlte Tesla die Erwartungen der Wall Street deutlich und offenbarte grosse Herausforderungen für das weitere Wachstum.
Überraschenderweise stieg die Tesla-Aktie nach Bekanntgabe der Zahlen und verzeichnete die beste Börsenwoche des Jahres 2025. Diese Kursrallye verdeutlicht, dass viele Investoren weiterhin an eine rosige Zukunft von Tesla glauben – ein Bild, das CEO Elon Musk unermüdlich zeichnet, insbesondere mit Blick auf Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren. Selbst die schwachen Fundamentaldaten des Unternehmens scheinen diesen Optimismus bislang nicht trüben zu können.
Rettungsleine durch Emissionsgutschriften
Ein Blick auf den Quartalsbericht zeigt: Nur der Verkauf von Emissionsgutschriften hat Tesla vor roten Zahlen bewahrt. Im ersten Quartal 2025 erzielte das Unternehmen 595 Millionen Dollar aus diesen Gutschriften – mehr als der gesamte Quartalsgewinn. Ohne dieses Einkommen hätte Tesla einen Verlust vor Steuern von etwa 200 Millionen Dollar verbucht, was die Fragilität des Kerngeschäfts offenlegt. Seit 2012 machten Gutschriften 34 Prozent der 32 Milliarden Dollar Gewinn aus, allein 2024 waren es 2,76 Milliarden Dollar. Diese Einnahmen, verkauft an Autohersteller, die Emissionsziele nicht einhalten, sind gefährdet. Denn Teslas Konkurrenten bauen ihr Angebot an Elektrofahrzeugen aus, zudem drohen mögliche politische Veränderungen, etwa eine Rücknahme von Klimaregeln.
Vielen Anlegern ist vermutlich nicht bewusst, wie knapp Tesla an einem Quartalsverlust vorbeigeschrammt ist. Der starke Kursanstieg der Aktie nach Veröffentlichung der Geschäftszahlen dürfte jedoch vor allem auf drei zentrale Gründe zurückzuführen sein:
- Vieles spricht dafür, dass es sich beim Kursanstieg um eine technische Gegenbewegung handelte: Nach einem Kursverlust von einem Drittel seit Jahresbeginn 2025 hielten zahlreiche Investoren die Aktie für überverkauft – ein Umfeld, das typischerweise Schnäppchenjäger auf den Plan ruft.
- Darüber hinaus warten nach Einschätzung mancher Tesla-Enthusiasten zahlreiche potenzielle Käufer mit ihrer Bestellung, bis im Sommer 2025 – wie von Elon Musk angekündigt – neue Modelle wie das Model Y «Juniper» auf den Markt kommen.
- Zusätzlich befeuern Musks Visionen rund um autonome Fahrzeuge und Robotaxis bei vielen Anlegern die Hoffnung, Tesla könnte den Mobilitätssektor revolutionieren.
Alphabets Ambitionen im autonomen Fahren
Die Hoffnung auf hohe Gewinne durch autonomes Fahren ist gross – doch viele Anleger übersehen, dass diese Pläne und dieses Geschäftsmodell auch scheitern könnten. Denn zu Teslas stärksten Konkurrenten im Bereich des autonomen Fahrens zählt einer der weltweit innovativsten und finanzkräftigsten Technologiekonzerne: Google (eigentlich Alphabet). Die Alphabet-Tochter Waymo ist Tesla dabei deutlich voraus – ihre Robotaxis sind bereits in Städten wie Phoenix, San Francisco, Los Angeles und Austin im Einsatz und machen mehr als 250’000 Fahrten wöchentlich. Dies unterstreicht Alphabets Fähigkeit, Künstliche Intelligenz über das gesamte Unternehmensökosystem hinweg – von der Internetsuche bis zur Cloud – erfolgreich einzusetzen.
Trotz der Sorge mancher Anleger, dass KI-Modelle wie ChatGPT Googles Vormachtstellung bei der Online-Suche gefährden könnten, überzeugt Alphabets KI-Strategie wichtige Investoren – darunter Bill Ackman. Der schwerreiche CEO eines Hedge Funds hält ein fokussiertes Portfolio und investiert seit Jahren in Alphabet, da er vom Potenzial des Konzerns bei KI-gestützten Dienstleistungen überzeugt ist.
Dabei gilt Waymo, von vielen unterschätzt, inzwischen als ein zentraler Wachstumstreiber. Das Unternehmen positioniert Alphabet nicht nur als ernstzunehmende Konkurrenz für traditionelle Fahrdienste, sondern auch als Herausforderer von Teslas autonomen Zukunftsplänen.
Fazit: Zwischen Realität und Vision
Teslas erstes Quartal 2025 zeigt ein Unternehmen im Zwiespalt: Auf der einen Seite die visionären Versprechen von KI und Robotaxis, die die Börse weiter beflügeln, auf der anderen Seite ein Kerngeschäft, das unter Gewinneinbruch, Umsatzrückgang und zunehmendem Wettbewerb ächzt. Die Abhängigkeit von Emissionsgutschriften, deren Zukunft unsicher ist, sowie der technologische Rückstand gegenüber Waymo im autonomen Fahren offenbaren strukturelle Schwächen. Dazu kommen Preisdruck durch Konkurrenten wie BYD und politische Risiken, etwa durch mögliche Handelskonflikte oder gelockerte Klimaregeln.
Die nächsten Monate dürften für Tesla entscheidend sein. Der angekündigte Produktionsstart günstigerer Modelle bis Juni 2025 ist eine Bewährungsprobe für Musks Glaubwürdigkeit und Teslas Produktionsdisziplin. Gelingt dies, kann Musk wohl auch weiterhin mit dem Vertrauen der Investoren rechnen – zumindest bis auf Weiteres. Scheitert Tesla jedoch – sei es an dieser Deadline oder im Rennen um autonomes Fahren – droht ein Vertrauensverlust, der das gesamte Narrativ der «Zukunftsmaschine Tesla» ins Wanken bringt. Und sollte das eintreten, ist mit einem schmerzhaften Kursrückgang der Aktie zu rechnen.