Pump-and-Dump: künstlich aufgepumpte Kurse – und wie Anleger nicht hineintappen

VZ Analyse

Ungewöhnliche Kurssprünge bei kleinen Aktien und anschliessende Einbrüche zeigen: Pump-and-Dump-Muster sind zurück. Das VZ ordnet ein, woran Anleger solche Maschen erkennen – und wie sie sich davor schützen.

19. Aug. 2025

Beschreibung

Autor: Andreas Paciorek / VZ VermögensZentrum

In den letzten Wochen sorgten einzelne, sehr kleine Nasdaq-Titel (Microcaps) für Schlagzeilen: erst rasant „aufgepumpt“, dann abrupt abgestürzt – ein klassisches Pump-and-Dump (künstlich befeuerte Kursrally mit anschliessendem Abverkauf durch die Initiatoren). Oft folgt der berüchtigte Rug Pull: Damit ist der plötzliche Kurssturz gemeint, wenn Drahtzieher ihre Bestände schlagartig verkaufen und dem Markt „der Teppich unter den Füssen weggezogen“ wird. Wie Sie Hypes von solider Geldanlage unterscheiden können. 

Hintergründe und Fakten: Was zuletzt passiert ist

Im Juli brachen sieben in den USA gelistete China-Microcaps – Concorde International, Ostin Technology, Top KingWin, Skyline Builders, Everbright Digital, Park Ha Biological Technology und Pheton Holdings – innert weniger Handelstage um über 80 prozent ein; zuvor waren sie in WhatsApp-Gruppen und auf Social Media als „Geheimtipps“ beworben worden. In Summe wurden rund 3,7 Mrd. Dollar an Börsen- und damit eben auch Anlegergeld vernichtet - beziehungsweise umverteilt zu den Insidern, die die Kurse in die Höhe getrieben habe. Die FBI meldete im Jahresvergleich einen Anstieg von 300 Prozent bei Beschwerden zu solchen Betrugsfällen. 

Wie absurd Bewertungen in der Spitze ausfallen können, zeigt Regencell Bioscience: Per 17. Juni lag die Aktie zeitweise seit Jahresanfang nahe 60 000 Prozent im Plus und die Marktkapitalisierung bei rund 39 Milliarden Dollar – mehr als etablierte Konzerne wie Jefferies oder Walgreens zusammen –, obwohl das kleine Unternehmen 2024 einen Nettoverlust von 4,4 Millionen Dollar auswies. Seither hat der Kurs über 80 Prozent nachgegeben. Solche Extreme entstehen oft durch den winzigen Free Float, Aktiensplits und koordinierte Online-Promotion. In den anderen Fällen waren die Bewegungen nicht weniger extrem: Pheton Holdings verlor an einem Tag bis zu 95 Prozent, nachdem ein Shortseller vor möglicher Manipulation warnte. Ostin Technology sackte in einem Handelstag um 94 Prozent ab – beides typische Muster, wenn zuvor orchestrierte Kaufaufrufe abebben und Liquidität verschwindet. 

Wie die Masche funktioniert – in einfachen Worten 

Am Anfang stehen meist schwer handelbare, wenig bekannte Aktien. Täter kaufen früh grössere Pakete, solange der Preis niedrig ist. Danach wird eine Story aufgebaut: angebliche Durchbrüche, Kooperationen oder „Insider-Tipps“, die in sozialen Medien, Foren oder Messenger-Gruppen geteilt werden. Das erzeugt Aufmerksamkeit und FOMO – die „Fear of Missing Out“, also die Angst, etwas zu verpassen. Steigt der Kurs, lockt das weitere Käufer an, der Preis schiesst noch höher. Irgendwann ziehen die Drahtzieher die Reissleine, verkaufen („dumpen“) ihre Bestände und erzielen hohe Gewinne. Weil die künstliche Nachfrage wegfällt, kippt der Kurs oft innert Stunden oder Tagen auf das Ausgangsniveau – oder darunter. Zurück bleiben späte Käufer mit grossen Verlusten. Die Drahtzieher dagegen verabschieden sich mit hohen Gewinnen. In regulierten Märkten ist dieses Vorgehen illegal und gilt als Marktmanipulation. 

Warum wir diese Fälle aktuell wieder sehen 

Drei Treiber kommen zusammen: Erstens verbreiten sich Geschichten zu „Geheimtipps“ heute in Sekunden – Social Media, Messenger und sehr aktive Communities verstärken Trends. Zweitens sind Microcaps wegen ihrer geringen Liquidität anfällig: Schon kleinere Kaufwellen bewegen die Kurse stark. Drittens steigt in Hype-Phasen die Risikobereitschaft – schnelle Gewinne überlagern die nüchterne Prüfung von Geschäftsmodell, Zahlen und Governance. Das macht es Betrügern leicht, mit professionell wirkenden Profilen, vermeintlichen Analysten-Logos und koordinierten Posts Seriosität vorzutäuschen. 

Schweiz: seltener – und doch ein Thema 

In der Schweiz sind klassische Pump-and-Dump-Fälle an der Börse seltener. Gründe: Der Markt wird von soliden Blue Chips dominiert, extrem billige Penny Stocks spielen an den Hauptbörsen kaum eine Rolle, und die FINMA überwacht streng. Dennoch sind Schweizer Anleger nicht immun: Viele Maschen laufen grenzüberschreitend über das Internet. Auch ausserhalb der Börse – etwa im Krypto- oder Token-Bereich – gab es spektakuläre „Rug Pulls“, die zeigen, wie drastisch Verluste ausfallen können, wenn Hype die Oberhand gewinnt. 

Woran Sie unseriöse „Tipps“ erkennen – und was dann zu tun ist 

Einige einfache Prüfsteine erhöhen Ihre Sicherheit erheblich: 

Quelle prüfen: Wer empfiehlt den Titel – ist die Person/Plattform verlässlich, identifizierbar, reguliert? Gibt es mögliche Interessenkonflikte? 

Nachrichtenlage abgleichen: Existieren echte, überprüfbare Unternehmensmeldungen (Investor-Relations, Börsenmitteilungen), die den Hype rechtfertigen? 

Liquidität und Streubesitz ansehen: Sehr dünner Handel und enge Aktionärskreise machen Manipulation leichter. 

Bewertung und Fundamentaldaten prüfen: Passen Kursanstieg und Ertragskraft zusammen – oder erzählt nur die Story die Musik? Ist das erwähnte Unternehmen überhaupt profitabel? Ist die Bilanz solide? 

Vorsicht bei Zeitdruck: Formulierungen wie „jetzt sofort kaufen“ sind ein Warnsignal. Seriöse Anlageideen halten auch morgen stand. 

Praktisch gilt: Wenn Sie zentrale Fragen nicht schlüssig beantworten können, ist Nichtstun oft die beste Entscheidung. Lieber einen Hype verpassen, als zum Ausstiegskanal der Drahtzieher zu werden. 

Was das für eine robuste Anlagestrategie bedeutet 

Pump-and-Dump lebt vom Zusammenspiel aus Illiquidität, Story und FOMO. Wer Vermögen systematisch aufbauen will, stellt diese Logik auf den Kopf: breite Diversifikation, Qualitätsanlagen mit nachvollziehbaren Erträgen, disziplinierte Rebalancings und klare Risikobudgets. So entsteht ein Portfolio, das nicht von der nächsten Schlagzeile abhängt. Kurzfristige Spekulationen in Microcaps oder fragwürdigen Tokens mögen verlockend klingen, doch das Chance-Risiko-Profil ist für die meisten Privatanleger ungünstig – selbst wenige Fehltritte können die Rendite eines ganzen Jahres zunichtemachen.