Nach Rede von Jerome Powell: Optimistische Nüchternheit

VZ Marktkommentar

Jerome Powell hat in Jackson Hole erstmals klarer eine Zinssenkung signalisiert – die Märkte reagierten prompt mit Kursgewinnen und steigender Hoffnung auf eine geldpolitische Wende. Doch zwischen stabiler Konjunktur, steigenden Kosten durch Zölle und einem fragilen Arbeitsmarkt bleibt der Balanceakt der Fed heikel.

26. Aug. 2025

Beschreibung

Autor: Andreas Paciorek / VZ VermögensZentrum

Das alljährliche Notenbanktreffen in Jackson Hole stand ganz im Zeichen von Jerome Powells Rede. In seiner Ansprache zeigte sich der Fed-Chef erstmals deutlicher offener für eine Zinssenkung im September. Anleger reagierten euphorisch: Die Wahrscheinlichkeit einer Kürzung sprang laut CME FedWatch-Tool von knapp über 70 Prozent auf annähernd 90 Prozent. 

Das Fed-Doppelmandat im Fokus

Powell erinnerte daran, dass die US-Notenbank zwei Ziele verfolgt: stabile Preise und einen robusten Arbeitsmarkt. Beide Seiten des Mandats sind aktuell herausgefordert. Zwar blieb die Inflation zuletzt bei 2,7 Prozent stabil, doch liegt sie weiterhin über dem Fed-Ziel von 2 Prozent. Zudem warnte Powell, dass die von Präsident Trump verhängten Zölle bereits „deutlich sichtbar“ auf die Verbraucherpreise durchschlagen und längerfristig eine dauerhafte Inflationsdynamik auslösen könnten. 

Auch der Arbeitsmarkt wirkt angespannt. Powell sprach von einem „ungewöhnlichen Gleichgewicht“: Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Arbeitskräften liessen nach. Zwar signalisiert die stabile Arbeitslosenquote eine gewisse Robustheit, doch könnten sich daraus rasch Abwärtsrisiken ergeben. Daraus könnte geldpolitisch ein gewisser Handlungsbedarf entstehen. Der Arbeitsmarkt reagiert stets mit einer gewissen Verzögerung auf verschlechterte Rahmenbedingungen. Es ist deshalb wichtig, dass die Geldpolitik nicht zu lange restriktiv bleibt. 

Wachstum und Inflation – ein widersprüchliches Bild 

Es ist deshalb unklar, wie zügig der Leitzins tatsächlich weiter gesenkt werden kann. Die Industrie zeigte zuletzt wieder Stärke: Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe sprang im August auf 53,3 Punkte – ein Höchststand seit Mai 2022. Auch der Dienstleistungssektor bleibt solide. Doch trotz Wachstum meldeten Unternehmen kräftige Kostenanstiege – der zweithöchste Zuwachs bei Einkaufspreisen seit Anfang 2023. Haupttreiber sind wiederum die neuen Importzölle. 

Damit befindet sich die Fed in einer heiklen Lage: Zwischen Inflationsgefahren und einer möglichen Abkühlung des Arbeitsmarkts bleibt der geldpolitische Kurs ein Balanceakt. Powell deutete zwar an, dass die nächste Zinssitzung am 16./17. September entscheidend sein könnte – doch er liess offen, wie rasch die Wende tatsächlich kommt. 

Positive Marktreaktionen – aber nicht ungebremst 

Die Märkte reagierten sofort: Der Nasdaq 100 legte zur Rede am Freitag in Minuten über 200 Punkte zu, der S&P 500 erlebte einen seiner stärksten Tage seit Mai, und der Dow Jones erreichte ein neues Allzeithoch. Auch in Asien stiegen die Kurse auf Mehrjahreshochs. Doch die Euphorie flaut zur europäischen Markteröffnung in dieser Woche wieder etwas ab. Gewinnmitnahmen, die bevorstehenden Nvidia-Zahlen sowie Inflationszahlen am Freitag halten die Marktteilnehmer in einem Status der «optimistischen Nüchternheit». 

Fazit 

Powell hat die Tür für eine Zinssenkung geöffnet – und die Märkte reagieren entsprechend. Gleichzeitig betonte er die Zwiespältigkeit des Fed-Mandats: Während die Wirtschaft dynamisch bleibt, steigt der Druck durch Zölle und Kosten, und der Arbeitsmarkt wirkt verletzlicher. Vieles deutet darauf hin, dass das Fed den Leitzins am 17. September erstmals in diesem Jahr senken wird. Es bleibt jedoch unklar, wie es danach weitergehen wird.