VZ-Analyse
Die Ratingagentur Moody's kassierte vergangene Woche das Top-Rating für die USA – zum ersten Mal seit 1919. Zuvor hatten bereits zwei andere Ratingagenturen ihre Einstufung der USA zurückgenommen. Was hat dazu geführt – und wie reagieren die Märkte?
Budgetdefizit und Zinszahlungen auf ausstehende Schulden haben deutlich zugenommen
In den letzten zwei Jahrzehnten ging die Schere zwischen Staatsausgaben und Einnahmen in den USA zunehmend auseinander. Während die Ausgaben unter anderem durch militärische Einsätze, Sozialprogramme und Konjunkturmassnahmen stetig stiegen, blieben die Staatseinnahmen aufgrund wiederholter Steuersenkungen sowie konjunktureller Schwankungen hinter dem Bedarf zurück.
Im Oktober 2024 erreichte das Haushaltsdefizit rund 1,9 Billionen US-Dollar. Zur Finanzierung dieses Fehlbetrags ist die US-Regierung gezwungen, in grossem Umfang Staatsanleihen auszugeben. Diese werden sowohl von inländischen als auch internationalen Investoren – darunter Zentralbanken wie jene Chinas oder Japans – aufgekauft.
Die Folge ist eine kontinuierlich wachsende Gesamtverschuldung, die im Jahr 2024 bereits etwa 36,2 Billionen US-Dollar erreichte – das entspricht mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Kombination mit den seit 2022 stark gestiegenen US-Leitzinsen führt dies zu einer zunehmenden Zinslast: Schätzungen zufolge könnten bis zum Jahr 2035 rund 30 Prozent der Staatseinnahmen allein für Zinszahlungen aufgewendet werden müssen. Bereits heute fliessen etwa 21 Prozent der Einnahmen in den Schuldendienst – 2019 lag dieser Anteil noch bei lediglich 16 Prozent.
Die Ratingagentur Moody’s reagierte nun auf diese Entwicklung und stufte das langfristige Kreditrating der USA am 16. Mai 2025 von Aaa auf Aa1 herab. Zur Begründung führte Moody’s an, dass sich die fiskalische Lage der Vereinigten Staaten über mehr als ein Jahrzehnt hinweg kontinuierlich verschlechtert habe. Die Staatsschulden und die damit verbundenen Zinszahlungen seien mittlerweile deutlich höher als bei vergleichbaren hoch bewerteten Ländern. Ohne tiefgreifende Reformen bei Ausgaben und Einnahmen erwartet Moody’s, dass das US-Defizit langfristig weiterwächst.
Verhaltene Reaktion der Märkte
Die Reaktion der Finanzmärkte auf die Herabstufung durch Moody’s fiel insgesamt verhalten aus. Viele Marktteilnehmer hatten diesen Schritt bereits antizipiert, da der Ausblick bereits im Vorfeld auf "negativ" gesetzt worden war und auch die zwei weiteren grossen Ratingagenturen – Fitch und S&P – den USA bereits vor Jahren das AAA-Rating entzogen. Die Herabstufung wurde daher weniger als Schock, sondern vielmehr als logische und überfällige Konsequenz einer seit Jahren bekannten fiskalischen Entwicklung gewertet.
Die Renditen der 10- und 30-jährigen US-Staatsanleihen stiegen nur moderat, auf etwa 4,45 bzw. 4,95 Prozent an. Auch die Reaktion an den Devisenmärkten blieb begrenzt: Der US-Dollar gab gegenüber dem Schweizer Franken und dem Euro leicht nach, blieb jedoch im historischen Vergleich stabil.
Bedeutung des US-Staatsanleihenmarktes bleibt intakt
Trotz der Herabstufung durch Moody’s bleibt die praktische Bedeutung von US-Staatsanleihen für das globale Finanzsystem weitgehend unverändert. US-Treasuries gelten weiterhin als wichtigster Sicherheitsbaustein auf den internationalen Kapitalmärkten – nicht nur wegen der Grösse und Liquidität des US-Treasury Marktes, sondern auch aufgrund des Vertrauens in die politischen Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit der Vereinigten Staaten.
Insbesondere Banken, Versicherungen und Pensionskassen nutzen US-Staatsanleihen als Sicherheit im sogenannten Repo-Markt, um sich kurzfristig Geld zu leihen oder als liquide Mittel zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen. Dabei macht es faktisch keinen Unterschied, ob eine Anleihe mit Aaa oder Aa1 bewertet ist – in beiden Fällen gelten sie laut internationalen Regeln als erstklassige und annähernd risikofreie Vermögenswerte.