VZ Analyse
Ein unterschätzter Indikator verrät oft die Börsengewinner des nächsten Jahres. Er steht in jedem Geschäftsbericht, wird aber häufig falsch interpretiert.
Publiziert 10. Dez. 2025
Beschreibung
Jeder Anleger wünscht sich den Blick hinter die Kulissen: Welche Unternehmen legen den Grundstein für zukünftiges Kurswachstum, welche drohen durch ihre Handlungen ins Hintertreffen zu geraten? Eine Antwort liefert ein simpler Punkt im Geschäftsbericht: die Investitionsausgaben für langfristige Anlagegüter (CapEx). Die Entwicklung dieser Ausgaben gilt als kritischer Indikator, der über die blossen Gewinne von heute hinausweist.
Intuitiv vermuten viele Investoren: Wenn ein Unternehmen Milliarden in neue Fabriken, Maschinen oder Infrastruktur investiert, signalisiert dies Expansion und daher gutes künftiges Kurswachstum. Die Erkenntnisse der Finanzmarktforschung zeigen jedoch ein überraschendes und kontraintuitives Ergebnis: Es existiert eine negative Korrelation zwischen CapEx und den nachfolgenden Aktienrenditen.
- Unternehmen, die ihre Kapitalausgaben (CapEx) stark erhöhen – etwa für neue Produktionsstätten, Fuhrparks oder Infrastruktur – tendieren in den darauffolgenden ein bis drei Jahren zu einer Unterperformance an der Börse.
- Firmen, die ihre CapEx hingegen deutlich kürzen, übertreffen den Markt tendenziell in den darauffolgenden ein bis drei Jahren.
Dieses Phänomen – man könnte es als «CapEx-Faktor» bezeichnen – ist auf vielen internationalen Märkten nachweisbar, auch in der Schweiz. Backtests anhand des SPI zeigen: In den letzten zehn Jahren hätte sich mit dem CapEx-Factor der Markt klar schlagen lassen. Besonders deutlich trat der Effekt bei mittelgrossen SPI-Unternehmen zutage.
Die SPI-Top-Unternehmen nach dem CapEx-Faktor
Unter den Unternehmen, die ihre Investitionsausgaben zuletzt merklich reduziert haben, verbergen sich häufig die späteren Börsengewinner. Genau deshalb lohnt sich der Blick auf die entsprechenden Unternehmen.
Bei den mittelgrossen und grossen Unternehmen (Marktkapitalisierung über 500 Millionen Franken, exkl. Finanzunternehmen) stechen derzeit fünf Firmen hervor, die ihre Investitionsausgaben in den letzten zwölf Monaten besonders stark zurückgefahren haben. Statistisch gesehen besitzen diese Firmen gute Chancen auf eine überdurchschnittliche Performance im kommenden Jahr.
Dottikon ES
Während der Spezialchemie- und Pharmawirkstoffhersteller Dottikon ES in den vergangenen Jahren stark in Ausbau und Kapazitäten investierte, hat das Unternehmen seine CapEx zuletzt deutlich reduziert CapEx H1 2025: CHF 46 Millionen Franken (Vorjahr: 75 Millionen) und fokussiert sich nun stärker auf Effizienz und profitables Wachstum.
Sonova
Der weltweite Hersteller von Hörgeräten und Audiologie-Lösungen Sonova investiert traditionell vor allem in Forschung und Entwicklung – über 7 Prozent des Umsatzes –, während physische Investitionen vergleichsweise moderat bleiben. Ergebnis: zweistellige EBITA-Wachstumsprognose für 2026.
SoftwareOne
Nach der Crayon-Übernahme setzt das Unternehmen SoftwareOne auf Integration und Kostensynergien statt grosse Sachinvestitionen. CapEx der letzten 12 Monate liegt im einstelligen Millionenbereich, während Margen steigen.
Bystronic
In einem schwierigen Marktumfeld senkt der Maschinenbauer Bystronic seine Investitionen (CapEx H1 2025: CHF 4,6 Millionen Franken, Vorjahr: 5,6 Millionen) und fokussiert auf Restrukturierung und Effizienz.
Sensirion
Der Sensorhersteller Sensirion investiert selektiv in neue Produktionskapazitäten, hält aber die CapEx-Quote unter Kontrolle (H1 2025: 12,8 Millionen Franken), während Umsatz und EBITDA zweistellig wachsen.
Die Gründe für die CapEx-Anomalie
Die CapEx-Anomalie – das Phänomen, dass der Markt positiv auf CapEx-Kürzungen zu reagieren scheint und negativ auf CapEx-Erhöhungen – wird primär auf Ursachen im Zusammenhang mit Management-Psychologie und dem ökonomischen Zyklus zurückgeführt:
- Investitionen am Zyklus-Hoch: Hohe Investitionen werden typischerweise am Hochpunkt des Wirtschaftszyklus getätigt, getrieben von grossem Optimismus der Manager. Dies führt oft zu Überinvestitionen in Anlagen, deren tatsächliche Rendite in den folgenden Jahren enttäuscht.
- Das Problem des «Empire Building»: Ein weiterer Grund ist das «Empire Building»: Manager weiten die Unternehmensgrösse aggressiv aus, oft durch Grossprojekte. Die primäre Motivation liegt dabei häufig nicht in der Steigerung des Aktionärswertes, sondern in der Ausweitung von Macht, Prestige und Vergütung für das Management.
Der Wert der CapEx-Reduktion
Im Gegensatz dazu honoriert der Markt eine CapEx-Reduktion unter anderem aus folgenden Gründen:
- Freier Cashflow und Flexibilität: Die Kürzung verbessert sofort den freien Cashflow, ermöglicht höhere Ausschüttungen und erhöht die finanzielle Flexibilität.
- Kapitaldisziplin: Dies signalisiert Kapitaldisziplin und einen Fokus auf die Effizienz bestehender Anlagen.
- Strategische Optionen: Unternehmen erhalten sich die Option, bei echten Gelegenheiten gezielt zu investieren – ein besseres Timing, das oft mit einer besseren Börsenperformance verbunden ist.
Was heisst das für Privatanleger?
Der CapEx-Faktor ist ein hilfreiches, aber kein unfehlbares Werkzeug. Auch wenn die Datenlage über viele Märkte hinweg erstaunlich konsistent ist, bleibt jede Kennzahl nur ein Puzzleteil. Weder garantiert eine Reduktion der Investitionen automatisch starke Kursgewinne im Folgejahr, noch führen steigende CapEx zwangsläufig zu einer schwachen Performance.
Für disziplinierte Anleger kann die CapEx-Entwicklung jedoch ein wertvoller Filter sein – ein Instrument, das Unternehmen sichtbar macht, die sonst leicht übersehen würden. Der Fokus richtet sich dabei weg vom blossen Investitionsvolumen und hin zu Ausgabedisziplin und kapitaleffizientem Wachstum.
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