VZ-Analyse
Lange Zeit schien der Hype um künstliche Intelligenz jede klassische Bewertungslogik zu überstrahlen. Doch der Kurseinbruch bei Palantir trotz solider Quartalszahlen markiert womöglich den Beginn einer Neubewertung im KI-Sektor.
Am 5. Mai veröffentlichte Palantir Technologies seine Geschäftszahlen für das erste Quartal 2025. Mit einem Umsatz von 884 Millionen US-Dollar und einem Wachstum von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr übertraf das Unternehmen die Erwartungen der Analysten. Die Jahresprognose wurde leicht angehoben. Dennoch brach die Aktie nach Veröffentlichung um über 12 Prozent ein – ein Verlust von rund 35 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung.
Solide Zahlen, enttäuschte Märkte
Auf den ersten Blick wirkten die Ergebnisse von Palantir überzeugend: Der bereinigte Gewinn je Aktie lag mit 0,13 US-Dollar im Rahmen der Erwartungen, der Nettogewinn verdoppelte sich auf 214 Millionen US-Dollar. Noch vor wenigen Monaten hätten solche Zahlen für Kursgewinne gesorgt.
Doch inzwischen zeigen zumindest einige Investoren zunehmende Skepsis angesichts der extrem hohen Bewertung. Palantir wurde noch vor kurzem mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 590 und dem 96-Fachen des erwarteten Umsatzes gehandelt – selbst unter den hoch bewerteten KI-Unternehmen ein Ausnahmefall.
Ein Blick zurück hilft bei der Einordnung solcher Zahlen: Nach dem Platzen der Dotcom-Blase kritisierte Sun-Mitgründer Scott McNealy die damaligen Überbewertungen. Ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 10 hielt er für grotesk – heute erscheint dieser Wert im Vergleich zu manchen KI-Titeln als geradezu moderat.
Zweifel an der globalen Skalierung
Hat der Kursrutsch die superhohen Bewertungen auf ein normales Mass zurückgestutzt? Keineswegs. Denn selbst danach weist Palantir ein KGV von 480 und ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von fast 90 auf. Kein Wunder warnen Analysten wie Louie DiPalma von der Investmentbank William Blair, dass Palantir selbst bei einem Kursrückgang von 70 Prozent eines der weltweit teuersten Softwareunternehmen bliebe.
Zwar wächst Palantir – jedoch nicht überall gleich stark. Besonders kritisch bewerteten Anleger den Rückgang im internationalen Geschäft mit Unternehmenskunden um 5 Prozent auf 142 Millionen US-Dollar. Die Erwartungen wurden hier klar verfehlt, CEO Alex Karp machte die zögerliche KI-Adoption in Europa dafür verantwortlich. Das allerdings nährt Zweifel an der weltweiten Skalierbarkeit des Geschäftsmodells.
Investoren fordern greifbare Ergebnisse
Die Reaktion der Märkte zeigt: Die anfängliche KI-Euphorie wird zunehmend von einem – zumindest ansatzweise – nüchterneren Blick abgelöst. Das Label «KI» allein scheint immer weniger auszureichen, um Anleger zu überzeugen. Stattdessen rücken fundamentale Kriterien wieder stärker in den Fokus:
- Profitabilität und Nachhaltigkeit: Es genügt nicht, technologisch führend zu sein. Unternehmen müssen einen klaren Weg zu dauerhaft profitablen Geschäftsmodellen aufzeigen.
- Realistischere Bewertungen: Überzogene Kurs-Gewinn- und Kurs-Umsatz-Verhältnisse geraten zunehmend unter Druck, und Extrembewertungen wie bei Palantir werden verstärkt infrage gestellt.
- Skalierbare Monetarisierung: Der Markt verlangt nachvollziehbare Erklärungen, wie KI-Anwendungen in wiederkehrende Umsätze überführt werden – und wie Unternehmen in einem sich rasch entwickelnden Umfeld mit neuen Konkurrenten ihren Wettbewerbsvorteil behalten.
Palantir steht mit der wachsenden Skepsis gegenüber hohen KI-Bewertungen nicht allein. Auch andere prominente KI-Firmen geraten unter Druck. So verlor etwa Snowflake trotz starker Umsatzzahlen an Wert, weil steigende Verluste von über 317 Millionen US-Dollar die Euphorie dämpften. C3.ai steht ebenfalls in der Kritik: Dem Umsatzwachstum von 29 Prozent stehen weiterhin rote Zahlen gegenüber. Selbst Nvidia, oft als grösster Profiteur der KI-Revolution gehandelt, sah sich nach Veröffentlichung seiner Quartalszahlen mit Kursverlusten konfrontiert – trotz des beeindruckenden Umsatzes von 40 Milliarden US-Dollar.
Fazit: Die Euphorie weicht der Realität
Diese Entwicklungen deuten auf einen Paradigmenwechsel hin: Die Phase schier grenzenloser KI-Hoffnungen mit dementsprechend schier grenzenlosen Bewertungen scheint zu einem Ende zu kommen – allerdings nicht sofort. Aber die Anzeichen mehren sich, dass die Investorenlandschaft reifer wird – und mit ihr die Bewertungskriterien. Künftig dürfte vermehrt nicht mehr das «Ob» von KI-Kompetenz, sondern das «Wie gut in finanzieller Hinsicht» entscheidend sein.
Die technologische Revolution durch künstliche Intelligenz ist unbestritten. Doch an den Finanzmärkten beginnt wohl eine neue Phase: Zukunftsversprechen allein genügen nicht mehr. Unternehmen müssen ihre KI-Kompetenz in belastbare, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle überführen. Palantirs Kursrutsch ist deswegen mehr als eine Einzelreaktion – er ist ein Signal: Die Spielregeln für KI-Investments ändern sich.
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