VZ-Analyse
Am Mittwochabend präsentiert Nvidia seine Quartalszahlen – doch hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein waghalsiges Finanzkarussell. Unternehmen setzen Nvidia-Chips als Sicherheit für enorme Kredite ein, nur um davon noch mehr Chips zu kaufen. Auch Nvidia selbst mischt mit.

Der Chiphersteller Nvidia profitiert nicht nur vom KI-Boom, sondern auch von waghalsiger Finanzakrobatik. Die Mechanik ist ebenso simpel wie riskant. Einige Tech-Unternehmen setzen Nvidia-Chips (z.B. die begehrten H100) als Sicherheiten ein, um Kredite zu erhalten. Diese "Silizium-Währung" finanziert weitere Chip-Käufe, häufig für KI- oder Krypto-Rechenzentren. Es ist ein Vabanquespiel – mit einem spekulativen Hebel, der Gewinne vervielfachen, aber auch Verluste potenzieren kann. Auch Nvidia selbst ist beteiligt.
Die Akteure: Von Startups bis zu Tech-Riesen
Wer spielt dieses Spiel? Zu den Beteiligten zählen einerseits KI-Startups: Junge Unternehmen, die auf leistungsstarke Rechenkapazitäten angewiesen sind, um ihre KI-Modelle zu trainieren. Ein Beispiel ist Lambda Labs, das sich im April 2024 einen Kredit in Höhe von 500 Millionen US-Dollar gesichert hat, wobei Nvidia-Chips als Sicherheiten dienten.
Ebenfalls beteiligt sind sogenannte «Neocloud-Anbieter»: Unternehmen, die Rechenleistung in der Cloud anbieten und ihre Infrastruktur mit Nvidia-Chips ausbauen. CoreWeave, der grösste «Neocloud»-Anbieter in Nordamerika, verfügt über mehr als 45’000 Nvidia-Grafikchips und hat über 10 Milliarden US-Dollar an Schulden aufgenommen, teilweise aufgrund bedeutender Verträge mit Microsoft. Denn ja, auch die Technologie-Superstars mischen mit.
Die Zusammenarbeit mit Neocloud-Anbietern ist für Technologie-Superstars wie Microsoft attraktiv, weil die jungen, spezialisierten Firmen oft schneller auf den KI-Boom reagieren können als traditionelle Hyperscaler. Sie bieten Chip-Infrastrukturen, die für das Training grosser Sprachmodelle (LLMs) oder anderer KI-Anwendungen optimiert sind. Zudem sind sie flexibler bei der Bereitstellung von Ressourcen, was für Unternehmen mit kurzfristigem, intensivem Bedarf (etwa bei der Entwicklung neuer KI-Produkte) entscheidend ist.
Die Wall Street dreht am Kreditrad
Wenn es um Darlehen geht, spielen natürlich auch Finanzdienstleister eine Rolle: Grosse Finanzinstitute wie Blackstone, Pimco, Carlyle und BlackRock haben gegen Chips als Sicherheiten über 11 Milliarden US-Dollar an junge Tech-Unternehmen verliehen.
Aber auch Nvidia selbst mischt bei diesem Spiel mit. Indem der Chiphersteller Start-ups finanziell unterstützt, sorgt er indirekt dafür, dass die Nachfrage nach den eigenen Chips zunimmt. Gleichzeitig stärkt er seine Marktposition im KI-Ökosystem. Im Jahr 2024 investierte Nvidia über 1 Milliarde US-Dollar in KI-Startups. Und wer von Nvidia finanziert wird, bekommt oft leichten Zugang zu Krediten, die für Chips verwendet werden können.
Chip-Kredite – ein Milliardengeschäft
Wie viel springt für Nvidia dabei heraus? Schätzungen zufolge könnte die kreditgetriebene Nachfrage 2025 etwa 15–20 Prozent des Umsatzes ausmachen – bei einem erwarteten Jahresumsatz von über 100 Milliarden Dollar wären das 15–20 Milliarden zusätzlich.
Die Quartalszahlen von Nvidia zeigen am Mittwoch, ob der Hype auch im vergangenen Quartal angehalten hat. Der Konzern bleibt in jedem Fall der unangefochtene König der KI-Hardware – doch die Finanzakrobatik rund um die Nvidia-Chips hat ihre Schattenseiten: Sollten die Kredite in Gefahr geraten, droht ein Dominoeffekt – für Nvidia ein überschaubares Risiko, für verschuldete Kunden jedoch ein Albtraum.
Für dieses bedenkliche Szenario braucht es nicht unbedingt einen Einbruch der Chip-Nachfrage. Eine Wachstumsverlangsamung könnte genügen. Nvidia-Investoren, im Prinzip aber alle Marktbeobachter, sollten daher die Entwicklungen des Geschäftsgangs von Nvidia sehr genau analysieren.