VZ-Analyse
Der Schweizer Zementriese Holcim wird seine US-Einheit unter dem Namen Amrize abspalten. Beide Unternehmen dürften im Alleingang ihre Stärken weiter entfalten können.
An zwei separaten Investorentagen haben in den vergangenen Wochen sowohl die verbleibende Holcim als auch die neue Amrize Klarheit darüber geschaffen, wie die beiden neuen Unternehmen aussehen sowie die Zukunft gestalten werden. Wir nehmen nachfolgend eine Auslegeordnung vor.
Die neue Amrize
Das von Holcim abgespaltene Unternehmen Amrize deckt ausschliesslich den nordamerikanischen Markt (USA und Kanada) ab. Das Unternehmen besteht aus der Sparte Baustoffe (Zement, Kies, Fertigbeton, Asphalt) und der Sparte Gebäudeumhüllung (Dachisolierung, Wandsysteme, Verschalung). Insbesondere bei den Baumaterialien ist Amrize sehr gut positioniert, was rund 70 Prozent zum Umsatz beiträgt. Die Firma hat mit achtzehn Zementwerken in den USA eine führende Stellung bei der Zementfertigung und vereint eine hohe Preissetzungsmacht. Daher dürfte Amrize vor etwaigen Zöllen der Trump-Administration gut geschützt sein.
Das Wachstumspotenzial ist zweifellos im Bereich der Gebäudeumhüllung am grössten. Bis 2029 könnte das Segment mehr als die Hälfte des Konzernabsatzes stellen. Das Wachstum dürfte stark anorganisch getrieben sein. Gleichzeitig sollte das Margenpotenzial dank Skaleneffekten bei den Lieferkette sowie in der Logistik laufend verbessert werden können.
Die grössten Konkurrenten sind die mexikanische Cemex, der internationale Baukonzern CRH und der US-Baustoffhersteller Vulcan. Wie in der gesamten Branche lagen in den letzten Monaten die Volumen auch bei Amrize etwas hinter den Erwartungen. Der Umsatz ging 2024 leicht zurück und könnte auch 2025 stagnieren. 2024 erzielte Amrize einen Umsatz von 11,7 Milliarden Dollar sowie einen bereinigten EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen) von 3,2 Milliarden Dollar. Dies entspricht einer operativen Marge von hohen 27 Prozent.
Bei der Nettoverschuldung wird ein Wert von unter 1,5-mal EBITDA angepeilt. Im Weiteren hat Amrize eine kumulierte Prognose für den freien Geldfluss (Free Cashflow) von über 8 Milliarden Dollar bis 2028 veranschlagt. Daraus soll u.a. auch eine attraktive Dividendenstrategie resultieren.
Mittelfristig wird eine Umsatzwachstumsspanne von 5 bis 8 Prozent angepeilt. Dies scheint nicht unrealistisch zu sein. Amrize wird das Wachstum allerdings aus höheren Preisen und zu einem erheblichen Teil aus Zukäufen erzielen müssen. Unternehmen unter der Führung von Jan Jenisch haben dies in der Vergangenheit meisterlich beherrscht. Als CEO und Präsident in Personalunion wird er bei Amrize der starke Mann sein, ähnlich wie zuvor bei Holcim.
Holcim nach dem Spin-Off
Bei der «neuen» Holcim stehen im Gegensatz zu Amrize Nachhaltigkeitsziele an oberster Stelle. Das Unternehmen positioniert sich als Partner für nachhaltiges Bauen. Regional will Holcim vor allem in Lateinamerika weiter zulegen, was aktuell knapp 20 Prozent des Umsatzes ausmacht. Mit einer Marge von rund 34 Prozent ist diese Region heute die profitabelste des Konzerns. Aufgrund der wachsenden Bevölkerung, dem steigenden Wohlstand sowie dem anhaltenden Trend zur Urbanisierung bleibt das Potenzial dort weiterhin gross. In Europa wiederum (Umsatzanteil von über 50 Prozent) sorgen die Infrastrukturpläne der neuen deutschen Bundesregierung für Wachstumsfantasien.
Ohne Amrize erzielte das Unternehmen 2024 einen Umsatz von 16,3 Milliarden Franken, bei einer wiederkehrenden EBIT-Marge von 17,4 Prozent und einem Free Cashflow von 2,2 Milliarden Franken.
Holcim will bis 2030 den Umsatz jährlich um 3 bis 5 Prozent steigern. Der Betriebsgewinn auf Stufe wiederkehrender EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) soll dabei mit durchschnittlich 6 bis 10 Prozent wachsen. Der bisherige, erfolgreiche Weg mit schrittweiser Steigerung der Profitabilität dürfte also weiter gehen. Die zukünftigen Zielsetzungen, welche im Vergleich zu Amrize etwas konservativer sind, scheinen realistisch zu sein. Der Betriebsgewinn dürfte deutlich stärker wachsen als der Umsatz. Schlussendlich ist es der Gewinn, der langfristig für die Aktienentwicklung zählt.
Bewertung und Konklusion
Beide Unternehmen dürften weiter konstant wachsen. Amrize und Holcim werden allerdings nicht nur geografisch getrennt sein – sie stehen für zwei differenzierte Visionen und Strategien.
Noch sind konkrete Bewertungen mit Unsicherheit bedacht. Amrize ist aktuell noch etwas kleiner, was die operative Leistung angeht. 2024 trug Amrize jeweils rund 40 Prozent zu Umsatz, EBITDA und Free Cashflow bei. Dennoch ist vorstellbar, dass Amrize aufgrund der höheren Wachstumsfantasien höher als Holcim bewertet werden könnte. Die besseren Margen, der klare US-Fokus und die Wachstumsfantasien sprechen dafür. Gemäss Angaben konnten bis zum Jahr 2028 bereits mehr als 230 Infrastrukturprojekte in den USA gesichert werden.
Für Amrize kann aufgrund des erwarteten Free Cashflows und unter der Annahme von branchenüblichen Kapitalkosten annäherungsweise eine Bewertung gemacht werden. Daraus resultiert eine Marktkapitalisierung von etwa 36 Milliarden Dollar. Das ist ähnlich hoch wie diejenige von US-Konkurrent Vulcan. Mit einem Verhältnis von Unternehmenswert zu prognostiziertem EBITDA (EV/EBITDA) von geschätzten 12,2, würde Amrize damit über dem der gegenwärtigen Holcim von 9 liegen. Vulcan kommt auf eine Bewertung von gut 15 und CRH weist eine von 12 auf.
Ob Holcim oder Amrize mittelfristig die bessere Wahl ist, wird sich erst nach dem Spin-off und den ersten eigenständigen Quartalszahlen zeigen. Gut möglich, dass Amrize zum Start eine höhere Bewertung erhält als Holcim. Die selbst gesteckten Ziele sind ambitiös, aber könnten erreichbar sein. Für langfristig orientierte Anleger bleibt aber auch Holcim attraktiv, nicht zuletzt wegen der angekündigten progressiven Ausschüttungspolitik. Zudem bleibt der Business Case beständig und die eigenen Prognosen sind realistisch.
Bestehende Holcim-Aktionäre werden bald an beiden Unternehmen beteiligt sein, da sie beim Spin-Off mit Amrize-Aktien abgegolten werden. Dies bietet eine optimale Ausgangslage, denn beide Unternehmen verfügen auf unterschiedliche Weise über ein überzeugendes Wachstumspotenzial. Holcim punktet mit nachhaltigen Baustofflösungen und starkem Fokus auf Europa, Amrize mit hoher Margenstärke und dynamischer Nachfrage im US-Infrastrukturmarkt. Somit ergibt sich aus einer tollen Aktienstory neu zwei spannende Investment Cases.
Disclaimer: Alle Angaben ohne Gewähr. Bei den aufgezeigten Informationen handelt es sich um Werbung gemäss Art. 68 FIDLEG. Die Analysen haben nur indikativen Charakter und stellen keinesfalls ein Angebot, eine Beratung oder eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments oder zur Ausführung irgendeiner Transaktion dar.