VZ-Analyse

Der 5-Billionen-Dollar-Tweet: Wie ein Fake-Post die Märkte täuschte

Eine Falschmeldung löste letzte Woche einen kurzzeitigen Börsenrausch mit Billionen-Gewinnen aus. Aber die Blase platzte schnell. Im Hintergrund wirkte ein Faktor, der den meisten Privatanlegern unbekannt ist.

16. Apr. 2025

Am 7. April kam es beim US-Leitindex S&P 500 zu einem bemerkenswerten Kurssprung von sechs Prozent – innerhalb weniger Minuten. Auslöser war eine Falschmeldung: Demnach habe Donald Trump seine Zollmassnahmen zurückgenommen. Die Nachricht stammte vom anonymen X-Account «DeItaone» mit rund 900'000 Followern, wurde jedoch auch von renommierten Medien wie CNBC und Reuters verbreitet – offenbar ohne vorherige Prüfung. Die Folge: Der Börsenwert des S&P 500 stieg kurzfristig um 2,4 Billionen Dollar. Erst als das Weisse Haus die Meldung dementierte, verlor der Markt sämtliche Gewinne wieder – ebenso rasant, wie sie entstanden waren.

Wie kann ein einziger Post eine solche Wirkung entfalten? Die Antwort liegt nicht allein im Inhalt der Nachricht, sondern in einem Umstand, den viele Privatanleger übersehen: Der heutige Börsenhandel wird von Algorithmen dominiert.


Algorithmen handeln, ohne zu denken

Beim sogenannten algorithmischen Handel analysieren Computerprogramme rund um die Uhr die Finanzmärkte. Sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind, lösen sie automatisch Kauf- oder Verkaufsaufträge aus – binnen Millisekunden. Gesteuert werden sie durch Strategien, die auf historischen Daten basieren: auf Kursverläufen, Volumina-Bewegungen, Nachrichten, Trends in sozialen Medien.

Schätzungen zufolge gehen in den USA zwei Drittel aller Börsentransaktionen auf Algorithmen zurück. Sie sind effizient – aber keineswegs immun gegen Fehler. Denn was wie ein objektiver Prozess wirkt, ist in Wahrheit eine Skalierung menschlicher Denkweisen: Algorithmen agieren auf Basis unserer Emotionen – nur schneller.

Wie gefährlich das werden kann, zeigte sich im April 2013: Ein gefälschter Tweet der Nachrichtenagentur Associated Press verkündete Explosionen im Weissen Haus. Binnen Sekunden verloren die Märkte 136 Milliarden Dollar an Wert. In der Sekunde nach dem Tweet wurden mehr als 4000 Orders ausgelöst – lange bevor die Meldung überhaupt verifiziert werden konnte.


Die Macht der Psychologie – multipliziert durch Technik

Algorithmen leiten ihr Verhalten aus der Börsenvergangenheit ab – und die ist in entscheidenden Phasen häufig von Gier, Panik und Kurzschlussreaktionen geprägt. Damit sind diese Programme ein Spiegel menschlicher Impulsivität. Die Verhaltensökonomen Daniel Kahneman und Amos Tversky haben gezeigt, wie stark unser Handeln von der sogenannten Verfügbarkeitsheuristik beeinflusst wird: Je auffälliger, emotionaler oder frischer eine Information erscheint, desto mehr dominiert sie unser Verhalten.

Ein Ausdruck wie «Explosion im Weissen Haus» kann eine sofortige Verkaufswelle auslösen, das Schlagwort «Zollpause» Massenkäufe – ganz gleich, ob die Nachricht stimmt. Diese Mechanismen greifen umso schneller, je mehr Entscheidungen automatisiert werden.

Man könnte meinen, solche Dynamiken seien ein Systemfehler. Doch für bestimmte Akteure bedeuten sie vor allem eins: Profit. Hochfrequenzhändler wie Citadel oder Virtu verdienen an minimalen Preisunterschieden enorme Summen – und noch mehr in Momenten gesteigerter Volatilität, wenn sich Schwankungen hochschaukeln und vervielfachen. Wichtig zu wissen: Diese Verstärkung und Vervielfachung von Schwankungen kann durch die Algorithmen selbst geschehen.


Was heisst das für Privatanleger?

An der Börse gilt für Privatanleger: Entschleunigung ist eine geheime Superkraft. Während Algorithmen im Millisekundentakt agieren, nicht selten die Marktvolatilität erhöhen und bei ultrakurzfristigen Trades nahezu unschlagbar sind, können erfolgreiche Privatanleger auf zwei zeitlose menschliche Stärken setzen: eine langfristige Zielorientierung und besonnene Disziplin.

Der ständige Blick auf Kursschwankungen und Börsennews verführt zu emotionalen Entscheidungen – getrieben von kurzfristiger Volatilität, reisserischen Schlagzeilen oder irreführenden Informationen. Besser ist es, das tägliche Grundrauschen an den Börsen auszublenden und konsequent an der definierten Anlagestrategie festzuhalten. Dabei sollte man Entscheidungen am langfristigen Investmentziel auszurichten – nicht am Börsenticker.