Künstliche Intelligenz

Chinas Discount-Antwort auf ChatGPT schüttelt westliche Tech-Titel durch

Eine neue KI-App des chinesischen Startups DeepSeek sorgt für Kursverluste im Technologiesektor. In der Schweiz trifft es vor allem die Aktien von VAT und Comet.

27. Jan. 2025

Autor: Andreas Paciorek / VZ VermögensZentrum

Die App wurde bereits am 20. Januar veröffentlicht, es dauerte jedoch einige Tage, bis man in Fachkreisen die hohe Qualität des KI-Modells anerkannte. DeepSeek verwendet gemäss eigenen Angaben wesentlich weniger Rechenleistung als ihre westlichen Konkurrenten. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre die westliche Tech-Vorherrschaft zumindest in Frage gestellt. Die Börsenschwergewichte Nvidia, Microsoft, Meta, aber auch europäische Tech-Werte wie ASML oder Schweizer Titel wie VAT oder Comet stehen unter Abgabedruck. Worum es geht und warum die Hektik unangebracht ist.

An der Spitze des Apple App-Store stehend und mit einer besseren Bewertung als der Platzhirsch ChatGPT, macht das Low-Budget-Chatprogramm des chinesischen Startups DeepSeek aktuell von sich mehr als Reden: Es rüttelt an den in die Höhe gestiegenen Aktienkursen der Profiteure und Pioniere des KI-Booms. Doch worin liegt das disruptive Momentum der Veröffentlichung des Konkurrenzproduktes zu ChatGPT, Claude, Gemini, Bard oder Llama?

Die Antwort lautet: es soll Angaben des chinesischen Entwicklers zufolge für lediglich etwas mehr als 5 Millionen US-Dollar entwickelt worden sein. Dabei soll es auf innovative Ansätze – wie der Mixture-of-Experts-Architektur (MoE) – gesetzt haben, die die Anforderungen an GPU-Chips für das Training der Modelle um den Faktor 10 reduziert haben sollen. Statt bis zu 100'000 Chips für Modelle dieser Kategorie üblich, soll DeepSeeks Model R1 nur 2048 verwendet haben und nur ein Bruchteil der Trainingszeit beansprucht haben. Trotzdem soll es die KI dabei sogar nicht nur mit GPT-o1 (hochspezialisiertes Modell für anspruchsvolle mathematische und wissenschaftliche Aufgaben) aufnehmen können, sondern in einigen Benchmarks sogar noch besser abschneiden. Hinzu kommt die Tatsache, dass DeepSeek seine Modelle unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht und nur für einen Bruchteil der Preise angeboten wird.

Für Investoren bedeuten die Meldungen, dass sie die Bewertungen und Geschäftsmodelle der bisherigen KI-Profiteure einer Prüfung unterziehen müssen. Dabei stellen sich beispielsweise folgende Fragen: Wenn neue Technologien den Bedarf an GPU (das sind Grafikchips, die besonders gut für das Training von AI-Modellen einsetzbar sind) auf eine Zehntel oder noch weniger reduzieren können, kann Nvidia noch seine hohen Margen und Umsätze verteidigen?

Gleichzeitig: Sind die hohen Investitionen von Seiten Microsoft, Google, Meta und Apple gerechtfertigt und die Eintrittshürde für die Konkurrenz hoch genug, wenn ein Discount-Modell für den Preis eines schönen Eigenheims an der Goldküste mit den Milliarden-Investitionen aus dem Silicon Valley mithalten kann? 

Ist das Modell skalierbar?

Bei aller gerechtfertigten Neubewertung der Big Techs sollte man nun allerdings nicht in Hektik verfallen. So ist einerseits fraglich, ob das Modell aus China tatsächlich so günstig und schnell entwickelt werden konnte. Denkbar wäre auch, dass die chinesische Konkurrenz wesentlich mehr Rechenleistung einsetzt, als sie anpreist. Dann stellt sich jedoch die Frage, wie effektiv die US-Exportbeschränkungen sind. 

Und noch viel wichtiger: Ist das Modell skalierbar? Das bedeutet, ist die Leistung steigerbar, wenn mehr Ressourcen und mehr Training eingesetzt werden? Dies ist nämlich der Vorteil der bekannten Ansätze, die auf den riesigen Rechenkapazitäten, die für die etablierten Tech-Grössen basieren sowie der riesigen Nvidia-Chip-Parks.

Während es noch viele Unbekannte gibt, steht ein definitiver Profiteur der neuen Konkurrenz aber schon fest: Die Künstliche Intelligenz und deren flächendeckender Einsatz an sich. Sollte nämlich der Preis für die Programmierung von Modellen stark sinken, dann würde dies den Zugang noch weiter erleichtern und die Produktivität in allen möglichen Branchen steigern. Ausserdem lässt sich wohl feststellen, dass auch US-Sanktionen ihren Anteil daran hatten, dass man in China nach alternativen Entwicklungsmöglichkeiten gesucht hat und diese offenbar auch gefunden hat.