VZ-Analyse

Diese zwei Anlagestrategien schlagen den Markt seit 200 Jahren

Welche Strategien funktionieren wirklich – und welche sind nur Statistik-Tricks? Eine Analyse über zwei Jahrhunderte gibt klare Antworten.

20. Mai 2025

In einer Welt, in der Privatanleger von der schieren Masse an Finanzinformationen überwältigt werden, stellen sich viele aktive Investoren – also solche, die den Markt nicht einfach passiv abbilden, sondern ihn gezielt schlagen wollen – eine zentrale Frage: Welche Strategie verspricht den grössten nachhaltigen Anlageerfolg?

Die Finanzmarktforschung liefert darauf viele Antworten – vielleicht zu viele. Der Ursprung dieses Dilemmas liegt in der Forschung selbst. Ökonomen gleichen Schatzsuchern: Sie durchkämmen Datenberge auf der Suche nach Abweichungen vom effizienten Markt – sogenannten Anomalien, die sich für Überrenditen nutzen lassen.

Doch viele dieser Effekte sind nicht real, sondern das Ergebnis statistischer Verzerrungen. Ein wesentlicher Grund dafür ist der sogenannte Publikationsbias: Studien mit positiven Ergebnissen haben eine deutlich höhere Chance, in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht zu werden. Dieser Anreiz führt nicht selten dazu, dass Forscher ohne klare Hypothese nach auffälligen Mustern in den Daten suchen – ein Vorgehen, das als Data Snooping bekannt ist.

Kurzfristige Rückblicke täuschen oft

Gegen statistische Artefakte bieten extrem langfristige Analysen einen wirksameren Prüfstein: Sie reduzieren das statistische Rauschen und zeigen, ob ein Ansatz auch unter ganz unterschiedlichen Marktbedingungen – etwa in Kriegen, Wirtschaftskrisen oder Boomphasen – Bestand hat.

Genau diesen Weg schlagen einige Studien ein – etwa jene von Geczy und Samonov  (Betrachtungszeitraum 1801–2012), von Dimson, Marsh und Staunton (1900–heute) oder von Baltussen, Swinkels und van Vliet, die Investmentstrategien über bis zu 200 Jahre und mehrere Länder hinweg analysieren.

Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Manche Strategien liefern auch über extrem lange Zeiträume hinweg stabile Mehrrenditen. Besonders überzeugend schneiden sogenannte Momentum-Strategien ab. Auch Carry-Strategien zeigen eine starke Performance. Die klassische Value-Strategie hingegen – für viele einst das Herzstück aktiven Investierens – weist ein merklich geringeres Mass an Strahlkraft auf.

Die Spitzenreiter: Momentum und Carry

Momentum-Strategien haben den Vorteil, in unterschiedlichsten Marktsituationen robuste Überrenditen erzielen zu können. Das zugrunde liegende Prinzip ist ebenso simpel wie wirkungsvoll: Kaufe, was zuletzt gestiegen ist, und verkaufe, was gefallen ist. Anleger folgen damit dem Trend – nicht ihrer Intuition oder klassischen Bewertungskennzahlen. Was auf den ersten Blick simpel wirkt, erweist sich über zwei Jahrhunderte hinweg als ausgesprochen effektiv.

Carry-Strategien folgen einem grundlegend anderen Ansatz: In der Finanzmarktforschung beschreibt dieser Begriff Anlagestrategien, die auf Vermögenswerte mit hohen laufenden Erträgen abzielen – etwa Zinsen oder Dividenden. Dabei stehen Wertpapiere im Vordergrund, die durch regelmässige Ausschüttungen attraktiv sind, selbst wenn sich das Kursniveau nicht ändert. Bei Aktien sind die Dividenden das Carry, der Fokus liegt daher auf den Dividendenrenditen.

Die zugrunde liegende Annahme: Investments mit hoher Ausschüttungsrendite entwickeln sich langfristig besser als solche mit niedriger Ausschüttungsrendite. Auch dieser Ansatz bewährt sich über Jahrzehnte hinweg. Besonders in volatilen oder seitwärts tendierenden Märkten zeigt er seine Stärke – während in Phasen starker Aufwärtsdynamik Momentum häufig die Nase vorn hat.

Im Gegensatz dazu setzen Value-Strategien, auf unterbewertete Aktien, gemessen etwa am Kurs-Buchwert-Verhältnis – oder an der Dividendenrendite. Im letzteren Fall dienen Dividenden vor allem als Indikator für eine Unterbewertung. Der Fokus von Value und Carry ist also unterschiedlich. Bei Carry liegt er auf der Stabilität der laufenden Erträge, während bei Value-Strategien eher das Kurspotenzial im Vordergrund steht und Dividenden als zusätzlicher Vorteil gelten.

Die Resultate von Value

Im Vergleich zu Momentum und Carry schneiden Value-Strategien schwächer ab, besonders, wenn sie sich an traditionellen Value-Kennzahlen wie dem Kurs-Buchwert-Verhältnis oder dem Kurs-Umsatz-Verhältnis orientieren. In den 1980er- und 1990er-Jahren brachte diese Methode beachtliche Erfolge. Doch in den letzten zwei Jahrzehnten hat Value an Wirkungskraft verloren.

Die Finanzmarktforschung zeigt zwar, dass Value-Strategien weiterhin Überrenditen erzielen können (insbesondere ausserhalb der USA), doch bleiben sie in vielen Studien hinter denjenigen von Momentum und Carry zurück. Besonders im technologiegetriebenen neuen Jahrtausend mit Zentralbankmassnahmen wie Quantitative Easing scheinen Value-Strategien etwas zurückzufallen.

Was folgt daraus für Anleger?

Sollten Investoren nun ausschliesslich auf Momentum und Carry setzen? Das wäre wohl zu kurz gedacht. Denn zum einen hängt der Erfolg stark davon ab, wie eine Strategie konkret umgesetzt wird. Zum anderen gilt: Keine Strategie ist frei von Schwächen. Momentum kann bei abrupten Trendbrüchen schwächeln, Carry ist sensibel gegenüber Zinsänderungen und zeigt in Boomphasen weniger gute Resultate. Diversifikation bleibt daher entscheidend: Ein Portfolio, das unterschiedliche Ansätze – beispielsweise Momentum, Carry und Value – kombiniert, kann Risiken streuen und dennoch attraktive Renditen erzielen.

Mindestens ebenso wichtig wie die Wahl der Strategie ist jedoch die mentale Disziplin. Strategietreue zahlt sich nicht nur für passive, sondern gerade auch für aktive Anleger aus. Oder, wie Warren Buffett es einmal auf den Punkt brachte: «Der Markt ist ein Mechanismus, der Geld von den Ungeduldigen zu den Geduldigen transferiert.»

Erfolgreiches Investieren erfordert Durchhaltevermögen – insbesondere in volatilen oder enttäuschenden Marktphasen. Ebenso unerlässlich ist ein wacher Blick auf die Kostenstruktur: Denn selbst die überzeugendste Anlagestrategie verliert an Wirkung, wenn hohe Gebühren die Rendite schmälern.