Pensionskasse

"Freie Wahl der Pensionskasse: eine gute Idee?"

Unser Vorsorgesystem sei nicht mehr zeitgemäss, sagt Jérôme Cosandey, Forschungsleiter bei Avenir Suisse. Wenn es nach ihm ginge, dürfte man seine Pensionskasse frei wählen. Das steckt hinter dieser Idee.

Portrait von Jérôme Cosandey

Herr Cosandey, Sie machen sich für die freie Wahl der Pensionskasse stark. Wie ernst ist es Ihnen mit dieser radikalen Reform?

Der Vorschlag ist richtig und wichtig, auch wenn er sich nicht von heute auf morgen umsetzen lässt. Und wegen der Folgen der Pandemie haben wir momentan andere Prioritäten. Trotzdem müssen wir uns damit befassen.

Warum sollen wir das tun?

Unsere Vorsorge ist in den 1970er-Jahren stehen geblieben. Die Lebensläufe haben sich aber stark individualisiert. Wir wechseln öfter den Job, arbeiten Teilzeit oder selbstständig und sind bei mehreren Arbeitgebern angestellt. Die Jüngeren wollen mehr Flexibilität und Mitsprache.

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Wie soll das funktionieren?

Heute haben wir ein komplexes Business-to-Business-Modell. Mit der Wahlfreiheit muss sich die Vorsorge mehr an den Konsumenten ausrichten In meinem Vorschlag bleiben die Risiken Tod und Invalidität kollektiv versichert, und die Definition der Leistungen und Sparbeiträge bleibt bei den Sozialpartnern. Neu sollen wir aber entscheiden dürfen, von wem und wie unser Geld verwaltet wird.

Was heisst das konkret?

Wir bestimmen die Anlagestrategie selbst – auf der Basis unseres Risikoappetits, unseres Anlagehorizonts und unserer Präferenzen für ökologische oder ethische Standards. 25-Jährige haben einen längeren Anlagehorizont als 60-Jährige und können mehr in Aktien investieren. Klar: Das Anlagerisiko tragen wir selbst. 

Das ist ein Nachteil. Dafür können wir von den Chancen an den Aktienmärkten profitieren. Das Gleiche wird übrigens schon mit den sogenannten 1e-Plänen gemacht. Diese Lösung kam aus der Finanzbranche, weil die Politik nichts gegen die Umverteilung in der zweiten Säule unternimmt.

Würde uns das nicht überfordern?

Wir werden uns besser informieren müssen. Heute tun wir das nicht, weil wir wissen, dass wir nichts beeinflussen können. In Zukunft sollten wir uns mehr zutrauen!

Löst Ihr Vorschlag die Probleme der Altersvorsorge?

Er ändert nichts an den zu hohen Umwandlungssätzen. Die Wahlfreiheit wäre aber eine Antwort auf die gesellschaftliche Entwicklung und würde die Mitarbeitenden bei einer Teilliquidation einer Pensionskasse besser schützen. Zudem würde sie den Wettbewerb unter den Pensionskassen beleben. Fairerweise muss man sagen, dass dadurch die Ausgaben für Marketing, Beratung und Vertrieb steigen würden. Aber es würde auch zu einer Konsolidierung der Branche und somit zu Skaleneffekten führen. Nach unseren Schätzungen wären damit jährliche Einsparungen bei den (Vermögens-) Verwaltungskosten von 800 Millionen Franken möglich.

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Zur Person

Jérôme Cosandey arbeitet seit 2011 beim liberalen Thinktank Avenir Suisse, wo er den Bereich Finanzierbare Sozialpolitik leitet. Er studierte Maschinenbau an der ETH Zürich und arbeitete bei der Boston Consulting Group und der UBS. Zudem absolvierte er einen Master in internationaler Wirtschaftsgeschichte.