Geldanlagen

Die Wirtschaftslage in den USA ist gar nicht so trüb

Vor wenigen Tagen hatten die Medien über einen deutlichen Einbruch der US-Wirtschaft berichtet. VZ-Anlagechef Christoph Sax erklärt, weshalb es um die amerikanische Konjunktur nicht so schlecht bestellt ist und was zur korrekten Beurteilung betrachtet werden sollte.

Christoph Sax
Chief Investment Officer
Publiziert am
07. Mai 2025

Als kürzlich die Zahlen zum Bruttoinlandprodukt (BIP) der USA für das erste Quartal 2025 bekanntgegeben wurden, war das Medien-Echo gross: Das US-Handelsministerium rapportierte einen Rückgang von 0,3 Prozent. In den Quartalen zuvor war die US-Wirtschaft dagegen stets kräftig gewachsen. Was aber in der Berichterstattung oftmals untergeht: In den USA wird das Quartalswachstum des BIP jeweils auf das Jahr hochgerechnet – es sind also annualisierte Daten. Sie zeigen, wie hoch das Wachstum über das ganze Jahr wäre, wenn es gleich wie im vergangenen Quartal bleiben würde.

Deshalb sind die US-BIP-Daten nicht direkt mit den BIP-Zahlen aus Europa und der Schweiz vergleichbar. Dort werden die Quartalszahlen nicht annualisiert. Verzichtet man für die USA auf die Annualisierung, fällt das Minus mit 0,1 Prozent weit weniger deutlich aus (vgl. Grafik).

Der Wachstumsstopp in den USA kam nicht allzu überraschend. Denn im Vorfeld der Zölle hatten die Importe stark zugenommen. Im ersten Quartal 2025 wurden 10 Prozent mehr Waren in die USA eingeführt als im Vorjahresquartal, weil Unternehmen und Haushalte den angekündigten Zöllen zuvorkommen wollten und deshalb Anschaffungen vorgezogen hatten. 

Das kann dazu geführt haben, dass temporär weniger inländische Güter nachgefragt wurden. Es ist aber nicht ganz klar, wohin die zusätzlichen Importe gingen: Entweder wurden die Güter vom Staat oder von den Haushalten bezogen – oder es wurden damit die Lager gefüllt oder Investitionen getätigt. Wenn die Importe stark steigen, müssten eigentlich auch der Konsum oder die Investitionen einen markanten Anstieg verzeichnen. 

Das ist aus der ersten Frühschätzung für das BIP nur teilweise ersichtlich. Es könnte deshalb sein, dass beim Konsum oder bei den Investitionen nachträglich noch Aufwärtsrevisionen folgen werden – und das BIP-Wachstum etwas höher war als gedacht. Erst nach der Publikation der zweiten und dritten BIP-Schätzung werden die Märkte Aufschluss darüber erhalten, wie es wirklich um die US-Wirtschaft bestellt ist. 

Das ist typisch für die Messung des BIP: Man weiss erst mit mehreren Wochen oder sogar Quartalen Verspätung, wie hoch die Wirtschaftsleistung genau war. Die späteren Revisionen kümmern die Finanzmärkte in der Regel aber kaum mehr. Denn für die Anleger ist die vorausschauende Perspektive von grösserer Bedeutung.

 

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