Wie sich die US-Bankenkrise auf die Märkte und die Notenbanken auswirkt
Wie entwickelt sich die Zinslandschaft? Was sind die Treiber an den Aktien- und Anleihemärkten? Wie sieht es bei anderen Anlageklassen aus? Eine Einschätzung von VZ-Anlagechef Christoph Sax.

Christoph Sax
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1. Lagebeurteilung: US-Bankenpleite schürt Ängste vor einem Flächenbrand
Die Stimmung an den Finanzmärkten hat sich in den letzten Tagen stark eingetrübt. Mit dem überraschenden Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) erhielten die Hoffnungen einen herben Dämpfer, dass der Straffungszyklus der US-Notenbank ohne Stress im Finanzsystem von statten geht. Zumal auch die Krypto-Banken Silvergate und Signature ihre Tore schliessen mussten.
Bankaktien gerieten unter massiven Abgabedruck, am stärksten gaben die Kurse von kleineren US-Instituten nach. Die Angst vor einem Flächenbrand machte die Runde. Das stellt die US-Notenbank (Fed) vor eine neue Ausgangslage bei ihrem Zinsstraffungskurs. Falls sie weitere Banken stützen muss, kann sie die Straffung der Geldpolitik kaum fortsetzen.
Das Fed hat der SVB Liquidität zur Verfügung gestellt, um weitere Notverkäufe von Aktiven zu verhindern. Gleichzeitig hat das US-Finanzministerium eine vollumfängliche Sicherung der Kundenguthaben veranlasst. Die staatliche Einlagensicherung hätte nur etwa 10 Prozent der Kundengelder abgedeckt. Diese wichtigen vertrauensbildende Massnahmen schaffen jedoch ein Anreizproblem: Die Investoren wähnen sich einmal mehr in Sicherheit, dass der Staat ihnen notfalls unter die Arme greift.
Europas Banken stehen solider da
Es ist nicht auszuschliessen, dass weitere, kleinere oder in Nischen tätige Institute in Schwierigkeiten geraten werden. Die Angst vor einer Finanzkrise ist aus heutiger Sicht jedoch übertrieben. Die grossen Institute sind breiter aufgestellt als die SVB und können allfällige Kursverluste auf ihren Anlagen damit auch besser absorbieren.
Europas Banken verfügen zudem über grosse Überschussliquidität, die sie bei der Zentralbank halten. Dank diesen Polstern müssten sie bei Kapitalabflüssen nicht sofort Teile ihrer Aktiven veräussern. Bei vielen Banken dürften die positiven Effekte des Zinsanstiegs sogar überwiegen: Sie müssen auf den Einlagen bei den Zentralbanken keinen Negativzins mehr bezahlen und können im Kreditgeschäft höhere Zinsen verlangen.
Wie reagiert das Fed?
Die alles entscheidende Frage ist nun: Wird die US-Notenbank Fed von ihrem Straffungskurs abkehren? An den Zinsterminmärkten sind die Erwartungen deutlich gesunken. Am 7. März gingen die Marktteilnehmer noch davon aus, dass der Leitzins des Fed erst bei 5,64 Prozent seinen Höhepunkt erreichen würde. Aktuell erwarten die Marktteilnehmer den Zenit bei 4,79 Prozent – also auf dem aktuellen Niveau. Die Rendite zweijähriger US-Treasuries hat innert Wochenfrist um mehr als einen Prozentpunkt nachgegeben. Angesichts der guten Konjunkturlage in den USA und der limitierten Ansteckungsgefahr für andere Banken erscheint am plausibelsten, dass das Fed den Leitzins noch etwas weiter anheben wird. Die Notenbank dürfte aber behutsam vorgehen. Dies wiederum könnte den Aktien Rückenwind verleihen, sobald sich die Situation etwas beruhigt hat
Fazit
- Der Kollaps der SVB sorgt für Unsicherheit an den Märkten.
- Die Ängste vor einer Systemkrise sind aus heutiger Sicht jedoch übertrieben.
- Das Fed dürfte die Geldpolitik behutsamer straffen.
2. Aktien: Rally vorerst gestoppt
Der Rückenwind, der den Aktien zunächst einen sehr guten Jahresstart bescherte, hat deutlich nachgelassen. Bereits im Februar legte die globale Aktienmarkt-Rally eine Pause ein. Zuletzt hat der Ausfall der Silicon Valley Bank (SVB) die Aktienmärkte stark verunsichert. Mit Ausnahme von Europa und Japan bewegen sich alle Anlageregionen gemessen in Franken seit dem Jahresstart um die Null-Linie. Am schlechtesten schnitt die Region Pazifik ex Japan ab. Auch US- und Schwellenländer-Aktien erlitten Einbussen. Anleger scheuten besonders chinesische Aktien, nachdem die Wiederwahl Xi Jinpings als sicher galt.
Der Schweizer Aktienmarkt hielt die Verluste in Grenzen, er blieb aber seit Jahresbeginn hinter Japan und Europa zurück. Der Hauptgrund ist die negative Entwicklung der drei Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche. Eine bessere Performance bieten in der Schweiz aktuell Aktien von mittel- und kleinkapitalisierten Unternehmen.
Änderung der Grosswetterlage
Die Erholung der Aktienmärkte seit dem vierten Quartal 2022 kann auf das Wunschszenario des «Soft Landing» zurückgeführt werden. Die Marktteilnehmer rechneten damals damit, dass die Zinsen im ersten Quartal 2023 den Höhepunkt erreichen und dass sich die Inflation rasch abkühlt. Diese Hoffnungen wurden nicht ganz erfüllt: Die Inflation sank zuletzt weniger stark als erwartet, der US-Arbeitsmarkt entwickelte sich überraschend dynamisch. Damit zeichnete sich ab, dass die Geldpolitik länger restriktiv bleiben und die Zinsen weiter steigen könnten als bisher angenommen. Die Situation änderte aber im März schlagartig mit den Marktturbulenzen, die durch den Kollaps der SVB ausgelöst wurden.
Was ist bei SVB passiert?
Das Geschäftsmodell der SVB basierte auf Kundenbeziehungen mit Start-Ups und der Verwaltung ihrer Gelder. Die SVB wies hohe Neugeldzuflüsse auf und investierte diese Mittel in Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Anlagen (MBS) mit dem Ziel, diese bis zum Laufzeitenende zu halten. Obwohl das Ausfallsrisiko dieser Anlagen sehr gering ist, unterstehen sie Zinsänderungsrisiken. Der Anstieg der Zinsen hatte Buchverluste auf diesen Investitionen zur Folge. Die Bank hatte diese Risiken nicht abgesichert.
Zu den Turbulenzen kam es, als bei den Kunden die Runde machte, dass die SVB Solvenzprobleme aufwies. Innert kurzer Frist wurden grössere Beträge abgezogen. Die Bank musste in der Folge Anlagen veräussern und Buchverluste realisieren, um Liquidität bereitstellen zu können. Dies wiederum hatte einen Bank Run zur Folge.
Die Aktienmärkte reagierten sehr nervös, aber das schnelle Eingreifen der US-Behörden führte zu einer Beruhigung. Dennoch verloren Bankentitel stark an Wert. Einzelne Institute wurden an den Märkten massiv abgestraft. Nach diesem Kurszerfall ist es wahrscheinlich, dass sich die Lage vorübergehend wieder etwas beruhigt. Die Unruhe im Finanzsektor wird die Märkte aber noch einige Zeit begleiten.
Fazit
- Die Märkte bleiben vorerst auf Richtungssuche.
- Die Situation bei den Finanzwerten dürfte sich etwas beruhigen.
3. Zinsen: Notenbanken im Dilemma
Die Zinsen haben in den letzten Wochen eine Achterbahnfahrt erlebt. Im Februar und Anfang März tendierten die Zinsen in den USA, in der Eurozone und in der Schweiz nach oben. Die Marktteilnehmer befürchteten, dass die Zentralbanken die Leitzinsen stärker als erwartet erhöhen würden, nachdem die Inflation negativ überrascht hatte. Diese Entwicklung kam abrupt zum Stillstand, als systemische Risiken im Zusammenhang mit dem Ausfall der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) auftraten. Innerhalb weniger Tage kehrte sich die Zinsentwicklung um. Auf Monatssicht sind die Zinsen letztlich gesunken.
Das Fed im Dilemma
An ihrer ersten Zinssitzung in diesem Jahr hat die US-Notenbank (Fed) den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,5 bis 4,75 Prozent angehoben. Sie hat damit das Tempo der Zinserhöhungen weiter reduziert. Fed-Chef Jerome Powell signalisierte weitere Zinserhöhungen und ein höheres finales Niveau der US-Leitzinsen, da sich der US-Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust zeigt und die Inflation sich nur langsam abschwächt.
Die Marktteilnehmer gingen zwischenzeitlich davon aus, dass die US-Notenbank erst bei 5,5 Prozent die Leitzinserhöhungen beenden würde. Nach dem Ausfall der SVB wurden diese Erwartungen aber wieder revidiert. Derzeit wird maximal mit einem weiteren Zinsschritt von 25 Basispunkten gerechnet, ab Juli werden sogar Zinssenkungen erwartet. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries hat seit dem 8. März um fast 0,5 Prozentpunkte nachgegeben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) will den Leitzins nach der Anhebung um 0,5 Prozentpunkte im Februar mit grossen Schritten weiter erhöhen. Derzeit liegt der Einlagesatz der EZB bei 2 Prozent. Dieser könnte in den kommenden Monaten bis auf 3 Prozent steigen. Im März hat die EZB zudem damit begonnen, ihre Bilanzsumme zu reduzieren. Dabei werden Mittelrückflüsse aus auslaufenden Anleihen im Umfang von 15 Milliarden Euro pro Monat nicht reinvestiert.
Die SNB strafft weiter
Nächste Woche findet die erste geldpolitische Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in diesem Jahr statt. Der Leitzins liegt seit Dezember 2022 bei 1 Prozent. Der Anstieg der Teuerung im Februar auf 3,3 Prozent dürfte die SNB zu einem weiteren Zinsschritt veranlassen. Die SNB wird zudem ihre aktualisierte Inflationsprognose für die Schweiz präsentieren. Die neusten Projektionen dürften eine etwas langsamere Rückkehr der Inflation unter 2 Prozent anzeigen als bislang erwartet.
Fazit
- Auch wenn die Leitzinsen weltweit stärker erhöht werden als ursprünglich erwartet, dürfte die geldpolitische Straffung 2023 beendet werden.
- Im Spannungsfeld zwischen Inflationsentwicklung und Konjunktursorgen wird die Schwankungsbreite der Zinsen hoch bleiben.
4. Weitere Anlageklassen:Öffnung von Chinas Wirtschaft stützt die globale Ölnachfrage
Gold als sicherer Hafen
Das Erstarken des US-Dollars und höhere Zinserwartungen im Februar belasteten vorübergehend den Goldpreis. Die Turbulenzen rund um den Ausfall der SVB führten aber beim Dollar und bei den Zinsen zu Einbussen. Dies gab dem Goldkurs kräftig Auftrieb. Der Preis pro Feinunze liegt mit 1’914 US-Dollar wieder in etwa auf dem Niveau von Ende Januar.
Ölpreis im Seitwärtskanal
Im Februar pendelte der Preis für ein Fass der Ölsorte Brent zwischen 80 und 86 US-Dollar. Dank der Aufhebung der Pandemiekontrolle in China und der überraschenden Aufhellung der globalen Konjunkturlage konnte sich Öl innerhalb dieser Preiszone weiter festigen, obwohl der Dollar zwischenzeitlich stark zugelegt hatte. Der Ölpreis litt zuletzt aber ebenfalls unter den Turbulenzen im Finanzsektor. Aktuell liegt er bei 81 US-Dollar und damit am unteren Ende des Preisbandes.
Fragmentierter Immobilienmarkt
Schweizer Immobilienfonds notieren seit Jahresbeginn knapp im Plus. Sie liegen damit gleichauf mit dem Aktienmarkt. Die Aktienkurse von Immobiliengesellschaften gerieten stärker unter Druck. Sie notieren 2 Prozent tiefer als zu Jahresbeginn. Die Kursentwicklung der verschiedenen Segmente war sehr heterogen: Fonds und Gesellschaften mit Fokus auf Geschäftsimmobilien verzeichneten teilweise grosse Kursverluste, während Wohnliegenschaften gesucht waren. Die Agios reflektieren diese Unterschiede. Wohnimmobilienfonds werden mit Agios von bis zu 30 Prozent gehandelt. Fonds mit Fokus auf den kommerziellen Bereich weisen dagegen teilweise negative Prämien gegenüber dem Nettoinventarwert auf.