Europas Wirtschaft ist in besserer Verfassung als erwartet
Gesunkene Energiepreise haben die Konjunktur in der EU unerwartet stark belebt. Das ist auch für die Schweizer Exportwirtschaft eine gute Nachricht.

Christoph Sax
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Die europäische Wirtschaft präsentiert sich im Frühling 2023 in besserer Verfassung als man noch im vergangenen Herbst angenommen hatte. Die EU-Kommission hat deshalb die Wachstumsprognosen leicht angehoben.
Sie geht nun für die Währungsunion von einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent in diesem Jahr aus. 2024 sollte die Veränderung des BIP auf 1,6 Prozent steigen. Zuvor hatte die EU-Kommission mit einem Zuwachs von 0,9 Prozent (2023) und 1,5 Prozent (2024) gerechnet.
Das moderate Wachstum im laufenden Jahr schliesst nicht aus, dass einzelne Quartale noch ein negatives Wachstum aufweisen könnten. Eine Rezession – also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum – ist aber nicht das Hauptszenario.
Das ist eine gute Nachricht, vor allem auch für die Schweizer Wirtschaft. Rund die Hälfte der Schweizer Ausfuhren gehen in die EU. Damit ist die EU mit Abstand der wichtigste Markt für die exportorientierte Schweizer Industrie.
Dass der Abschwung in Europa nicht stärker ausgefallen ist, hängt mit den deutlich gesunkenen Energiepreisen zusammen. Daneben hat die europäische Wirtschaft auch die aus dem Ukraine-Krieg entstandenen Risiken über weite Strecken gut gemeistert. So hat sich etwa ausgezahlt, dass die Energiequellen diversifiziert und in die Infrastruktur zur Beseitigung von Engpässen bei der Gasversorgung investiert wurde.
Trotz des Rückgangs des Ölpreises, der anfänglich der Haupttreiber der Inflationsentwicklung war, hat die EU-Kommission die Teuerungsprognosen für die Währungsunion leicht nach oben korrigiert. Die Inflation hält sich weiterhin hartnäckig hoch. Für die Eurozone wird im laufenden Jahr neu eine Inflation von 5,8 Prozent im Jahresdurchschnitt veranschlagt, in der vergangenen Winterprognose waren es noch 5,6 Prozent gewesen. 2024 wird die Inflation voraussichtlich weiter nachlassen. Erwartet wird eine durchschnittliche Preissteigerung von 2,8 Prozent. Erst gegen Ende 2024 dürfte sie gegen die 2-Prozent-Marke sinken, die von den Notenbanken als mittelfristiges Ziel angestrebt wird.
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