Die Inflation rückt wieder in den Fokus
Der Streit in den USA um die Schuldenobergrenze ist beigelegt. Nun konzentrieren sich die Anleger wieder mehr auf die Entwicklung der Inflation und der Leitzinsen. Die monatliche Einschätzung von VZ-Chefökonom Christoph Sax.

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Das wichtigste Ereignis im Mai war die Anhebung der Schuldenobergrenze der USA. Die Verhandlungsdelegationen haben erst wenige Tage vor Ablaufen der Frist eine Einigung erzielt. Der Kompromiss wurde vom Kongress ohne Änderungswünsche verabschiedet. Für die Aktien- und Obligationenmärkte wurde damit ein grosser Stolperstein für zwei Jahre aus dem Weg geräumt.
Das Fed kommt in den Fokus
Die Aufmerksamkeit der Anleger richtet sich wieder vermehrt auf die Notenbanken, allen voran die US-Notenbank Fed. Noch vor wenigen Wochen herrschte die Meinung vor, dass das Fed den Leitzins bereits in der zweiten Jahreshälfte senken muss. Die Bankenkrise und die befürchtete Verknappung der Kreditvergabe entpuppten sich aber als weniger gravierend als zunächst gedacht. Es hat sich unter den Anlegern die Ansicht durchgesetzt, dass die US-Behörden Regionalbanken in Schieflage notfalls abwickeln und deren Aktiven den Grossbanken zu vorteilhaften Konditionen überlassen. Der US-Finanzsektor erfährt dadurch eine Konsolidierung.
Inflationsraten sinken weiter
Es besteht allerdings Grund zur Hoffnung, dass sich der Stress im Finanzsystem nicht weiter verstärkt: In den meisten Währungsräumen dürfte der Zinszyklus schon bald den Höhepunkt erreichen. Die Inflationsraten sind im Mai weiter gesunken.
Der starke Rückgang der Energiepreise war ein zentraler Treiber, doch auch bei den Kerngütern gibt es erste Anzeichen einer Trendwende. Die Kerninflation, welche die besonders schwankungsanfälligen Energie- und Rohstoffpreise ausschliesst, hat den Höhepunkt überschritten.
Für eine baldige Pause bei den Leitzinserhöhungen spricht auch, dass die Notenbanken die Bilanzverkleinerung weiterführen werden, sodass der Wirtschaft weiter Liquidität entzogen wird. Beim Fed könnte der Höhepunkt des Leitzinses bereits erreicht sein. Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Europäische Zentralbank (EZB) werden noch je zwei Leitzinserhöhungen zu 0,25 Prozent erwartet. Eine baldige Leitzins-Senkung ist nicht absehbar.
Industrie in der Rezession
Die Wirtschaft verkraftet die geldpolitische Straffung relativ gut. Das Wirtschaftswachstum hat sich erheblich verlangsamt, der befürchtete Einbruch der Konjunktur ist jedoch ausgeblieben – sowohl in der Schweiz als auch in der Eurozone und in den USA. Das hat unter anderem damit zu tun, dass der Dienstleistungssektor noch immer von Aufholeffekten nach der Pandemie profitiert und expandiert. Die Industrie dagegen befindet sich in den meisten Ländern Europas in einem Abschwung. Der Anstieg der Zinsen belastet die Nachfrage nach Investitionsgütern und verteuert die Kredite. Für den weiteren Jahresverlauf ist mit einer anhaltenden Wachstumsschwäche zu rechnen.
Fazit
- Die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA schafft Planungssicherheit
- Sinkende Energiepreise dämpfen den Inflationsdruck
- Die Wachstumsaussichten bleiben verhalten