Pensionierung

"Schleichender Diebstahl bei den Renten"

Jüngere Schweizerinnen und Schweizer sollten sich freuen, wenn das Rentenniveau sinkt, sagt Wirtschaftsjournalist Markus Städeli. Hier erklärt der 45-Jährige, warum er das denkt.

Portrait von Markus Städeli

Herr Städeli, in einer Kolumne schrieben Sie kürzlich: "Je tiefer der Umwandlungssatz, desto besser!" Wollen Sie damit alle provozieren, die vor der Pensionierung stehen?

Überhaupt nicht! Ich spreche die Generation unter 50 an. Je schneller und deutlicher der Umwandlungssatz sinkt, desto besser werden wir Jüngeren im Alter leben.

Warum glauben Sie das?

Vom Ertrag auf meinen Ersparnissen wird weniger abgezwackt, um den Lebensabend der älteren Generation zu subventionieren, wenn ihre Guthaben mit einem tieferen Satz in Renten umgewandelt werden. 

Merkblatt

Checkliste für die Planung Ihrer Pensionierung

Das Merkblatt beschreibt die wichtigsten Punkte, die Sie bei der Planung Ihrer Pensionierung berücksichtigen sollten.

Sie kritisieren die Umverteilung von Jung zu Alt.

Dieser Rentenklau ist unfair! Ein toxischer Mix aus tiefen Zinsen, steigender Lebenserwartung und unrealistisch frühem Pensionierungsalter mit 64 oder 65 Jahren führt dazu, dass seit Jahren Milliarden von den Aktiven zu den Pensionierten umverteilt werden. In meinem Pensionskassen- Ausweis wird nicht aufgeschlüsselt, wie viel Geld ich dadurch verliere. Dieser Diebstahl geschieht nämlich schleichend, indem die Ersparnisse einfach tiefer verzinst werden.

Damit wird der Zinseszinseffekt praktisch ausgehebelt, und Jüngere werden so um grosse Summen betrogen.

Können Sie ein Beispiel machen?

Wer 200'000 Franken angespart hat, wird bei seiner Pensionierung in 20 Jahren etwa 360'000 Franken zur Verfügung haben, wenn sein Geld mit 3 Prozent verzinst wird. Bei 1 Prozent sind es nur knapp 245'000 Franken. Das ist fast ein Drittel weniger. Dieses Geld fehlt im Alter.

Was raten Sie Berufstätigen, die erst in einigen Jahren in Pension gehen?

Sie müssen die Augen öffnen und im Pensionskassen-Ausweis verfolgen, wie sich ihre Ersparnisse entwickeln und wie sie verzinst werden. Die prognostizierte Rente ist zum heutigen Zeitpunkt hingegen reine Spekulation, denn in Zukunft dürften wir zum Beispiel deutlich länger arbeiten als bis 64 oder 65. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Jüngere bis zur Pensionierung beim gleichen Arbeitgeber bleiben. Sollte der Umwandlungssatz bei ihrer Pensionierung "lausig" sein, müssen sie prüfen, wie viel sie als Kapital beziehen können – und sich dann um die Vermehrung ihres Geldes kümmern. Klar ist auch: Wer kann, sollte früh damit beginnen, eine dritte Säule aufzubauen.

Auf dem 3a-Konto gibt es aber auch fast keinen Zins mehr …

Das stimmt. Statt mit dem 3a- Konto kann man heute mit Wertschriften sparen, etwa mit günstigen ETF und Indexfonds. Das ist sinnvoll. Denn wer Geld langfristig auf die Seite legt, kann mehr Risiken eingehen und so die Rendite verbessern.

Zur Person:

Markus Städeli ist seit 2007 Wirtschaftsjournalist der NZZ am Sonntag. Er hat Betriebswirtschaft studiert und stieg während des Studiums in den Journalismus ein. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und schrieb früher für die Basler Zeitung, Cash und die Handelszeitung.