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"Journalismus ist wichtiger denn je"

Jonas Projer ist überzeugt: Für die Gesellschaft sind kompetente Journalistinnen und Journalisten wichtiger als je zuvor. Warum das so ist, erklärt der Chefredaktor der NZZ am Sonntag im Gespräch.

Herr Projer, News sind heute sofort und jederzeit verfügbar – in Newsportalen, Sozialen Medien, über Podcasts, Radio und Fernsehen. Sind Zeitungen ein Auslaufmodell?

Im Gegenteil. Qualitätszeitungen sind wichtiger denn je. Reine News dagegen haben fast keinen Wert mehr, weil sie überall kostenlos verfügbar sind. Umgekehrt hat glaubwürdiger, einordnender Journalismus enorm an Bedeutung gewonnen.

Wie meinen Sie das?

Die Zeiten sind vorbei, als Journalistinnen und Journalisten bloss etwas Neues erfahren mussten und das dann am nächsten Tag in der Zeitung publizierten. Heute zählt vor allem die Einordnungsleistung. Journalisten analysieren Fakten und Ereignisse, überprüfen Quellen und stellen News in den richtigen Kontext. Aus meiner Sicht braucht es diese Arbeit mehr denn je, um die freie und ungestörte Meinungsbildung zu unterstützen.

Können Leserinnen und Leser nicht selbst entscheiden, was für sie relevant ist?

Mit der Digitalisierung haben sich die verfügbaren Informationen vervielfacht. Heute erleben wir eine Kakofonie von Kanälen und Inhalten. Das macht es für Leserinnen und Leser viel schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen. Je nachdem, welche Kanäle sie nutzen, vermischen sich Informationen mit persönlicher Meinung, mit Verschwörungstheorien oder mit der Regierungspropaganda fremder Staaten.

Warum sollte man einer Zeitung wie Ihrer eher vertrauen?

Weil wir uns auf Fakten abstützen, sachlich, unvoreingenommen und mit einer liberalen Grundhaltung. Und weil wir transparent zeigen, warum man aufgrund dieser Fakten von diesem oder jenem ausgehen kann. Eine glaubwürdige Zeitung lässt sich von nichts und niemandem instrumentalisieren und legt offen, wie sie zu ihren Informationen kommt. Seriöse, ausgewogene Berichterstattung ist zentral, um sich eine fundierte Meinung zu bilden und wichtige Entscheidungen zu treffen. Darum sind für uns Einschätzungen von Schweizer Wissenschaftern und vertrauten Fachleuten sehr wichtig. So, wie sie es auch bei Ihnen in den vz news sind.

Haben gedruckte Zeitungen noch eine Zukunft?

Auf jeden Fall. Verglichen mit vielem, was in den sozialen Medien verbreitet wird, ist eine Zeitung von geradezu unerschütterlicher Verbindlichkeit. Was gedruckt ist, ist gedruckt, es lässt sich nicht ohne Weiteres korrigieren. Darum müssen die Inhalte kompetent recherchiert, verlässlich und überprüfbar sein. Aber klar: Analoge und digitale Medien ergänzen sich, deshalb werden auch wir noch stärker in den Ausbau unserer digitalen Angebote investieren.

Zur Person

Jonas Projer ist verheiratet und hat fünf Kinder. In der Deutschschweiz wurde er bekannt als EU-Korrespondent des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sowie als Leiter der politischen Diskussionssendung Arena. Seit September 2021 ist Jonas Projer Chefredaktor der NZZ am Sonntag.